Österreichs Rolle in der Flüchtlingskrise Der Vermittler droht den Blockierern
Österreich ist in der Flüchtlingskrise zum Vermittler geworden zwischen den "Willigen" und den "Blockierern". Kanzler Faymann richtete nun deutliche Worte an diejenigen, die gegen eine europaweite Verteilung sind: Er droht osteuropäischen Staaten mit der Kürzung von Beiträgen.
Von Ralf Borchard, ARD-Studio Wien
Werner Faymann ist eigentlich kein Schwergewicht im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs. In Wien wird gern das geflügelte Wort zitiert, Faymann gehe ohne Meinung in EU-Treffen rein und komme mit Angela Merkels Meinung wieder raus. Doch in der Flüchtlingsfrage ist Österreich nicht nur wichtiges Aufnahme- und Durchreiseland. Weil Merkel - die eigentliche EU-Führungsfigur - so stark in die Kritik geriet, ist Österreich eine Art Vermittlerrolle zugewachsen.
Faymann hat nun zu einem Vorbereitungstreffen kooperationswilliger EU-Länder eingeladen. Sein Ziel in der Flüchtlingspolitik beschrieb er vor dem Abflug nach Brüssel so: "Wir wollen die Verteilung in Europa schaffen. Es sollen nicht alle Flüchtlinge nach Schweden, Österreich und Deutschland. Derzeit funktioniert das alles kaum."
Das Ziel: Der Türkei Flüchtlinge abnehmen
Faymann hat einen neuen Vorschlag gemacht: Die EU könne der Türkei direkt 40.000 bis 50.000 Flüchtlinge abnehmen. Von der bereits gültigen Zahl von 160.000 zu verteilenden Flüchtlingen könnten diese dann abgezogen werden. Bisher ist das nur ein Vorschlag. Doch auch der österreichische EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn betont, sein Land spiele derzeit eine wichtige Rolle: "Es gibt ja jetzt eine Gruppe, heißt so schön 'Die Willigen'. Österreich hat hier eine führende Rolle, und diese Gruppe ist eine ganz starke Gruppe. Ich glaube auch, die Aufgabe dieser Gruppe kann es sein, voranzuschreiten und jene Länder, die heute noch zögerlich sind, zu überzeugen."
"Zwang von außen werden wir nicht akzeptieren"
Wortführer der zögerlichen Länder ist der ungarische Regierungschef Viktor Orban. Er bekräftigte im Vorfeld des EU-Gipfels seine Blockadehaltung: "Niemand kann den Ungarn oder anderen Nationen in Europa vorschreiben, mit wem sie gemeinsam leben sollen. Brüssel darf nicht die Macht haben, uns Menschen zuzuweisen, mit denen wir nicht zusammenleben wollen. Zwang von außen werden wir nicht akzeptieren."
Faymann stellt EU-Finanzierung infrage
Faymann hält eine indirekte Drohung dagegen: Wer in der Flüchtlingsfrage nicht solidarisch sei, müsse in Zukunft bei anderen Themen mit dem Entzug von EU-Geldern rechnen: "Dann muss jeder daran erinnert werden, dass in einer Europäischen Union, wo es Nettozahler und Nettoempfänger gibt, nur eine Verteilung innerhalb von Europa die Möglichkeit bietet, sowohl Ordnung zu schaffen als auch das Asylrecht als Menschenrecht ernst zu nehmen."
In der Zeitung "Die Welt" wurde er noch deutlicher: "Wer unter dem Strich mehr Geld aus dem EU-Haushalt erhält als einzahlt, sollte sich bei einer fairen Verteilung der Flüchtlinge nicht einfach wegducken." Wer sich dennoch verweigere, stelle die gesamte Finanzierung des EU-Haushalts infrage und mache es Nettozahlern wie Österreich künftig sehr schwer, weiterhin so viel Geld einzuzahlen. Es seien im kommenden Jahr Änderungen im EU-Haushalt zulasten bestimmter Länder denkbar, sagte Faymann. "Der mehrjährige Finanzrahmen von 2014 bis 2020 wird im kommenden Jahr überprüft. Da werden wir uns ganz genau ansehen, welche Länder sich in der Flüchtlingsfrage besonders unsolidarisch verhalten", warnte er.
"Wir suchen Gemeinsamkeit, nicht das Trennende und den Hass"
Die Frage ist, ob Faymann die politische Kraft hat, in der EU als Vermittler zu wirken. Auch in Österreich selbst kämpft der Sozialdemokrat mit einer erstarkenden rechtspopulistischen Partei, der FPÖ. Umso dringender sei es, in der Flüchtlingsfrage endlich auf EU-Ebene einig zu werden, so Faymanns Appell: "Weil es natürlich eine Gruppe gibt, die vom Aufhetzen der Leute lebt. Wir müssen stark genug sein zu sagen, dass einfache Antworten und Sprüche wie 'wir bauen einen Zaun rund um ein Land und dann kommt niemand mehr' nichts verloren haben in Europa. Europa habe sich nach zwei Weltkriegen vorgenommen, in Frieden zusammenzuleben. "Wir suchen die Gemeinsamkeit, nicht den ganzen Tag das Trennende und den Hass."