Gezielte Tötungen Anführer und Kommandeure der Hamas im Visier
Luftangriffe, Gift oder ein explodierendes Mobiltelefon: Seit Gründung der militant-islamistischen Hamas wurden immer wieder Anführer und Schlüsselfiguren der Terrormiliz gezielt getötet. Ein Überblick.
Am Mittwoch gab die militant-islamistische Hamas den Tod ihres Anführers Ismail Hanija bekannt - nun teilten die israelischen Streitkräfte mit, dass bereits Mitte Juli Hamas-Militärchef Mohammed Deif bei einem Großangriff ums Leben kam. Zur Tötung Hanijas hat sich Israel bisher nicht bekannt, wie so oft bei den dem Land zugeschriebenen Tötungen. Seit Gründung der Hamas 1987 kamen immer wieder Anführer und Schlüsselfiguren der Terrormiliz ums Leben.
Jahja Ajjasch
Ajjasch galt als Drahtzieher einer ganzen Welle palästinensischer Selbstmordattentate in Israel und trug den Spitznamen "Der Ingenieur". Er starb am 5. Januar 1996, als ein Mobiltelefon in seinen Händen explodierte. Die Palästinenser machten Israel dafür verantwortlich, das sich nicht zu dem Anschlag bekannte. Die Hamas reagierte darauf mit vier Selbstmordanschlägen, bei denen im Februar und März 1996 innerhalb von neun Tagen in drei israelischen Städten 59 Menschen ums Leben kamen.
Chaled Meschaal
Der Hamas-Anführer wurde 1997 international bekannt, als ihm israelische Agenten auf einer Straße vor seinem Büro in der jordanischen Hauptstadt Amman Gift injizierten. Der Anschlag soll vom damaligen und heutigen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu angeordnet worden sein und erzürnte den jordanischen König Hussein so sehr, dass er davon sprach, die Attentäter zu hängen und den Friedensvertrag zwischen Jordanien und Israel aufzukündigen - wenn nicht das Gegenmittel für das Gift ausgehändigt würde.
Israel kam dieser Forderung nach und erklärte sich zudem bereit, den Hamas-Anführer Scheich Ahmed Jassin freizulassen. Nur sieben Jahre später wurde Jassin von Israel im Gazastreifen ermordet.
Ahmed Jassin
Scheich Ahmed Jassin war einer der Gründer der Hamas und ihr geistiger Führer. Er war querschnittsgelähmt und wurde am 22. März 2004 durch einen Raketenangriff von einem Hubschrauber aus getötet, als er eine Moschee in Gaza-Stadt verließ. Israel hatte bereits 2003 versucht, ihn zu töten, als er sich im Haus eines Hamas-Mitglieds in Gaza-Stadt aufhielt.
Sein Tod löste in den Palästinensergebieten und der gesamten muslimischen Welt Proteste und Kritik aus. Tausende Palästinenser marschierten durch den Gazastreifen und schworen Israel Rache. Jassins Tod zog eine erhebliche Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts nach sich und verdeutlichte die tiefsitzenden Spannungen sowie die enormen Schwierigkeiten bei der Schaffung von Frieden in der Region.
Abdel Asis al-Rantissi
Am 17. April 2004 wurde der Hamas-Anführer Abdel Asis al-Rantissi bei einem Raketenangriff von einem israelischen Hubschrauber aus auf ein Auto in Gaza-Stadt getötet. Zwei Leibwächter kamen ebenfalls ums Leben. Die Hamas-Führung tauchte unter und die Identität von Rantissis Nachfolger wurde geheim gehalten. Rantissi wurde getötet, kurz nachdem er nach der Ermordung von Scheich Ahmed Jassin die Führung der Hamas im Gazastreifen übernommen hatte.
Kurz nachdem er nach der Ermordung seines Vorgängers die Führung der Miliz übernommen hatte, wurde Rantissi getötet.
Adnan al-Ghul
Ghul galt als der Meister des Bombenbaus der Hamas. Er wurde am 21. Oktober 2004 bei einem israelischen Luftangriff auf Gaza-Stadt getötet. Ghul war die Nummer zwei im militärischen Teil der Hamas, der Al-Kassam-Brigaden, und als "Vater der Kassam-Rakete" bekannt. Mit solchen improvisierten Raketen hat die Hamas häufig israelische Städte beschossen.
Nisar Rajjan
Rajjan war ein Geistlicher, der weithin als einer der radikalsten politischen Anführer der Hamas gilt. Er hatte zu neuen Selbstmordattentaten in Israel aufgerufen. Rajjan wurde bei einem Angriff im Flüchtlingslager Dschabalja am 1. Januar 2009 getötet. Zwei seiner vier Frauen und sieben seiner Kinder kamen bei dem Anschlag ebenfalls ums Leben.
Wenige Tage später, am 15. Januar, wurde der Innenminister der Hamas, Said Sejjam, im Gazastreifen durch einen israelischen Luftangriff getötet. Sejjam war der Befehlshaber von 13.000 Polizisten und Sicherheitsleuten der Hamas. Sie hatte 2006 die Wahl im Gazastreifen gewonnen und nach kurzen Kämpfen mit der rivalisierenden Fatah ihre Macht in dem Küstengebiet gefestigt.
Saleh al-Aruri
Der stellvertretende Hamas-Chef Aruri wurde bei einem israelischen Drohnenangriff auf Dahiyeh, einen Vorort im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut, am 2. Januar 2024 getötet. Aruri war auch der Gründer des militärischen Teils der Hamas, der Al-Kassam-Brigaden.
Ismail Hanija
Am frühen Morgen des 31. Juli 2024 wurde Hanija nach Hamas-Angaben durch einen Angriff in der iranischen Hauptstadt Teheran gezielt getötet. Die iranische Revolutionsgarde bestätigte seinen Tod, wenige Stunden nachdem er an der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen hatte. Der Vorfall werde untersucht, erklärten die einflussreichen Revolutionsgarden.
Iranische Medien berichteten, Hanija habe sich in "einer speziellen Residenz für Kriegsveteranen im Norden Teherans" aufgehalten. Das iranische Nachrichtenportal NourNews meldete, das Gebäude sei von einem Projektil aus der Luft getroffen worden.
Hanija war der politische Anführer der Hamas und schlug harte Töne an. Dennoch wurde er von vielen Diplomaten im Vergleich zu den Hardlinern der Hamas als gemäßigt angesehen. Er wurde 2017 an die Spitze der Hamas berufen und pendelte zwischen der Türkei und Katars Hauptstadt Doha. Zu seiner Tötung hat sich Israel bislang nicht bekannt.
Mohammed Deif
Bereits am 13. Juli 2024 hat Israel nach eigenen Angaben den Hamas-Militärchef Mohammed Deif getötet. Deif sei bei einem Angriff im Gazastreifen ums Leben gekommen, teilten die israelischen Streitkräfte (IDF) mit. "Die IDF geben bekannt, dass IDF-Kampfjets am 13. Juli 2024 in der Gegend von Chan Yunis angegriffen haben. Nach einer Auswertung des Geheimdienstes kann bestätigt werden, dass Mohammed Deif bei dem Angriff ausgelöscht wurde."
Deif soll das Tunnelsystem unter dem Gazastreifen mitentwickelt haben - nun meldete Israel, dass er am 13. Juli getötet wurde.
Deif gilt als einer der Drahtzieher des Hamas-Terrorangriffs am 7. Oktober 2023 auf den Süden Israels, bei dem nach israelischen Angaben rund 1.200 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. In den Monaten danach soll er gemeinsam mit anderen ranghohen Hamas-Angehörigen aus den Tunneln von Gaza-Stadt heraus militärische Einsätze geleitet haben.
Deif stieg im Laufe von 30 Jahren innerhalb der Hamas auf. Er entwickelte ihr Tunnelsystem unter dem schmalen Küstenstreifen und brachte Expertise im Bombenbau ein. Seit Jahrzehnten stand er ganz oben auf der Fahndungsliste Israels und wird für den Tod zahlreicher Israelis bei Selbstmordattentaten verantwortlich gemacht. Deif hatte sieben israelische Attentate überlebt, das letzte im Jahr 2021. Hamas-Insidern zufolge verlor er dabei ein Auge und erlitt schwere Verletzungen an einem Bein.
Quelle: Reuters