Glyphosat Einfach mal Ja sagen
Enthaltung bei Dissens - über diesen Grundsatz hat sich Agrarminister Schmidt hinweggesetzt. Die Stimmen seiner Vertreter sorgten in Brüssel mit dafür, dass die Zulassung von Glyphosat um fünf Jahre verlängert wird. Umweltministerin Hendricks fühlt sich getäuscht.
Von Karin Bensch, ARD-Studio Brüssel
Es ist eine echte Überraschung: 18 der 28 EU-Länder haben in Brüssel dafür gestimmt, dass die Zulassung für den umstrittenen Unkrautvernichter verlängert wird. Bei allen bisherigen Abstimmungen war keine ausreichende Mehrheit zustande gekommen.
Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling spricht von einem "echten Skandal". In den kommenden fünf Jahren wird es keinerlei Einschränkungen für die Verwendung von Glyphosat geben, beschwert sich Häusling, der selbst Landwirt ist.
Glyphosat könne mithin in der Vorernte verwendet werden, direkt vor dem Dreschen des Getreides. "Jeder Laie" könne sich das Herbizid im Baumarkt weiter kaufen. Dass die EU-Staaten sich nicht einmal zu sinnvollen Einschränkungen durchgerungen hätten, schimpfte Häusling, "das kann ich nun überhaupt nicht verstehen".
Minister gegen Ministerin
Dass die Mehrheitsentscheidung zustande kam, lag offenbar auch daran, dass Deutschland - anders als bislang - für die Zulassungsverlängerung von Glyphosat stimmte. Bei einer Abstimmung vor gut zwei Wochen hatte sich die Bundesregierung noch enthalten. Grund waren gegensätzliche Haltungen der zuständigen Ministerien: Das CSU-geführte Agrarministerium war für die Zulassung, das SPD-Umweltministerium dagegen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks teilte schriftlich mit, dass die Zustimmung zu Glyphosat nicht abgestimmt gewesen sei. In einer Presseerklärung heißt es, genau zwei Stunden vor Beginn der Sitzung des Berufungsausschusses habe Hendricks gegenüber Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt telefonisch eindeutig erklärt, dass sie mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden sei - auch nicht unter bestimmten Konditionen.
Fühlt sich geleimt: Ministerin Hendricks
SMS so, Weisung so
Es sei daher klar gewesen, dass Deutschland sich enthalten musste - so Hendricks. Gegen Mittag habe ihr Schmidt per SMS bestätigt, dass der Dissens bestehen bleibe. Offenbar erging zur gleichen Zeit an den Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Brüssel eine andere Weisung als die abgestimmte. Jeder, der an Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert sei, könne sich so nicht verhalten, schreibt Hendricks verärgert.
Minister Schmidt verteidigte die deutsche Entscheidung für eine Verlängerung. Man habe wichtige Verbesserungen für die Artenvielfalt und den Tierschutz durchsetzen können, sagte er einem Interview mit der "Rheinischen Post".
Der Grüne Häusling kann darüber ein solches Vorgehen nur den Kopf schütteln. Er will zudem wissen, ob Schmidt eine "einsame Entscheidung" getroffen oder Bundeskanzlerin Angela Merkel das "durchgewunken" habe. Die Frage müsse man jetzt in Richtung Berlin stellen.
EU-Kommission hätte auch zugestimmt
Das Votum in Brüssel war für die Vertreter der EU-Länder die letzte Chance, für oder gegen die Zulassungsverlängerung von Glyphosat zu entscheiden. Und sie nutzten sie. Ansonsten hätte die EU-Kommission entschieden - und Glyphosat ebenfalls weiterhin erlaubt.
Die Entscheidung in Brüssel ist vor allem ein Sieg für Agrarkonzerne wie Monsanto, aber auch für Landwirte, die große Ackerflächen bearbeiten und denen Glyphosat die Arbeit erleichtert. Die Entscheidung ist dagegen eine Niederlage für Umweltschützer und für Verbraucher, die sich eine Landwirtschaft ohne Chemikalien wünschen.