EU-Treffen zur Flüchtlingspolitik Viele Fragen auf dem Weg zum Türkei-Deal

Stand: 17.03.2016 08:05 Uhr

Der zweitägige EU-Gipfel, der heute in Brüssel beginnt, soll einen Durchbruch für die Lösung der Flüchtlingssituation bringen. Wichtigster Punkt ist der Abschluss der Vereinbarung mit der Türkei. Doch der Plan droht gleich auf mehreren Ebenen zu scheitern.

Es gibt einen Satz, den Donald Tusk inzwischen vor jedem EU-Gipfel sagt - nur wirkt der EU-Ratspräsident dabei jedes Mal noch ein bisschen müder und abgekämpfter. "Viel harte Arbeit" sei noch nötig, sagte er bei seinem Treffen diese Woche mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu. Dem musste Tusk gleich noch eine schlechte Botschaft überbringen: Zypern hatte gerade angedroht, die angestrebte Vereinbarung zwischen der Türkei und der EU zu blockieren, wegen des Jahrzehnte alten Streits zwischen Nikosia und Ankara um den besetzten Nordteil der Insel.

Tusk als Gastgeber des Gipfels musste schließlich zusagen, den EU-Türkei-Deal mit einem Fortschritt in den türkisch-zyprischen Friedensgesprächen zu verbinden. "Nur, wenn das möglich ist, können wir voranschreiten", schreibt Tusk in seiner Einladung an die europäischen Regierungschefs.

Zypern als Störfaktor

Also ob die Sache nicht schon schwer genug wäre - denn unproblematisch ist der Deal mit der Türkei auch ohne Zyperns angedrohtes Veto nicht. Offiziell lautet das Ziel: "Es geht darum, dafür zu sorgen, dass Leute aufhören, Schlepper zu benutzen, um nach Europa zu kommen", sagt der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Doch natürlich geht es auch darum, weniger Migranten in die EU zu lassen oder, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung sagte: "Wie es uns gelingen kann, die Zahl der Flüchtlinge nicht nur für einige, sondern für uns alle zu reduzieren."

Dafür will die EU ein höchst umstrittenes Verfahren aufsetzen: Jeder Migrant, der illegal von der Türkei nach Griechenland kommt, soll in die Türkei zurückgeführt werden - allerdings nicht, ohne vorher für jeden Einzelnen eine Art Blitz-Asyl-Prüfung zu machen. Dazu sei man juristisch und moralisch verpflichtet, so Kommissionsvizepräsident Timmermans.

Doch dann schränkt er ein: "Wenn du einen Schlepper benutzt, hast du Recht auf internationalen Schutz - aber nicht in Griechenland und der EU, sondern in der Türkei. Bist du bereit zu warten, dass du auch auf legale Weise nach Europa kommen kannst, kannst du diesen Schutz auch in Europa bekommen." Sofern man Syrer ist, wohlgemerkt: Denn nur Syrer sollen gezielt auf EU-Länder verteilt werden. Alle nicht-syrischen Flüchtlinge müssen als Teil des Deals zwischen Brüssel und Ankara in der Türkei bleiben. Das Land sei ein sicherer Drittstaat, rechtfertigt sich die EU-Kommission. Wer Schutz benötige, könne ihn dort finden.

Heftige Kritik an Plänen

"Zynisch" und "menschenverachtend"sei das, meint hingegen die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Aus Sicht des Menschenrechtskommissars des Europarats, Nils Muisznieks, ist der Plan sogar schlicht "illegal". Er unterminiere das fundamentale Menschenrecht des Einzelnen, Asyl zu suchen und zu finden, schreibt Muiznieks in einem Gastbeitrag auf tagesschau.de.

Es wird sich zeigen, wie viele Staats- und Regierungschefs der EU das beim Gipfel genauso sehen. Ratspräsident Donald Tusk mahnt vorab schon mal: Die Liste der zu klärenden Fragen ist lang. Und ein Deal mit der Türkei, so Tusk weiter, müsse im Einklang mit europäischem und internationalem Recht stehen, das habe "absolute Priorität".

 

Sebastian Schöbel, S. Schöbel, RBB Brüssel, 17.03.2016 00:03 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete WDR5 am 17. März 2016 um 06:06 Uhr