Schließung der Balkanroute Österreich pocht auf Abschottung Europas
Die Balkanroute ist für Flüchtlinge dicht - und sie bleibt auch dicht, machte Österreichs Innenministerin klar. Scharfe Kritik kam von Kanzlerin Merkel. "Wir können es uns nicht in 27 Ländern nett machen und ein Land alleine mit dem Problem lassen", sagte sie mit Blick auf Griechenland.
Europa im März 2016: Die Balkanroute für Flüchtlinge ist faktisch geschlossen. Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien lassen niemanden ohne gültigen Reisepass und Visa mehr passieren. Damit sitzen mehr als 35.000 Menschen in Griechenland fest. Auch das Schicksal der Flüchtlinge, die bereits auf der Strecke nach Westeuropa unterwegs sind, ist völlig offen. Ungarn rief landesweit den Krisenzustand aus, Polizei und Militär an der Grenze sollen verstärkt werden.
Fakten statt Formulierungen
Damit schafften die Länder entlang der Balkanroute Fakten. Sie wollten sich offenbar nicht länger mit Formulierungen, ob die Balkanroute jetzt geschlossen sei oder nicht, aufhalten, wie zuletzt beim Gipfel. "Das Schließen der Balkanroute verläuft planmäßig und diese Uhr wird nicht zurückgedreht", machte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner denn auch klar. Der unkontrollierte Massenzustrom über diese Route müsse Geschichte sein. Zugleich lobte sie in der "Welt" das abgestimmte Vorgehen der Innenbehörden der Länder entlang der Route. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte die Abschottungsmaßnahmen begrüßt und den Ländern gedankt.
Merkel: "Das Problem ist nicht gelöst"
Bei der deutschen Bundesregierung stieß das Vorgehen einzelner EU-Staaten auf scharfe Kritik. "Wir können es uns nicht in 27 Ländern nett machen und ein Land alleine mit dem Problem lassen", sagte Kanzlerin Angela Merkel mit Blick auf Griechenland bei einer Veranstaltung in Rheinland-Pfalz.
Und im Interview mit MDR Info bekräftigte sie: "Das Problem ist nicht gelöst, indem einer eine Entscheidung trifft." Es müsse eine Einigung gefunden werden, die allen 28 EU-Ländern helfe. "Deshalb setze ich mich für eine wirklich europäische Lösung der 28 ein", sagte die CDU-Chefin. Durch die Grenzschließungen kämen derzeit zwar einerseits weniger Flüchtlinge nach Deutschland, auf der anderen Seite verschärfe sich aber die Lage in Griechenland. "Diese Situation ist nicht dauerhaft und nachhaltig. Wenn es uns nicht gelingt, auch mit der Türkei Abmachungen zu finden, dann wird Griechenland diese Last auf Dauer nicht stemmen können", sagte die Kanzlerin.
EU-Nothilfe für Griechenland
Mit einem eilig geschnürten Nothilfeprogramm soll die Versorgung der Flüchtlinge in Griechenland gewährleistet werden. Das Paket im Gesamtumfang von 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2018 sei nun vereinbart worden, teilte der EU-Rat mit. Für dieses Jahr seien wie von der EU-Kommission vorgeschlagen 300 Millionen Euro vorgesehen. Das EU-Budget wird vor allem aus Beiträgen der 28 Mitgliedstaaten bestritten. Die Regierung in Athen rechnet damit, bald rund 100.000 Menschen versorgen zu müssen.
Und die Lage ist schon jetzt dramatisch. Nach Angaben des Krisenstabs in Athen stecken inzwischen fast 36.000 Flüchtlinge im Land fest. Und die Zahl steige von Stunde zu Stunde, da immer neue Schutzsuchende aus der Türkei ankämen. Allein im Lager Idomeni an der mazedonischen Grenze sollen 14.000 Menschen ausharren, viele schlafen unter freiem Himmel, der Dauerregen macht die Situation noch schlimmer. Seit Jahresbeginn setzten bereits mehr als 132.000 Migranten aus der Türkei zu den griechischen Inseln über, 38 Prozent von ihnen Kinder, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk mitteilte.
Allein am Donnerstagmorgen kamen rund 800 Migranten von den Inseln Lesbos und Chios in der Hafenstadt Piräus an. Am Abend wurde eine weitere Fähre mit etwa 300 Migranten an Bord erwartet. Dies teilte die Küstenwache mit.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt, dass rund 2000 weitere Flüchtlinge in Serbien feststecken. Es wird befürchtet, dass sie nach Albanien ausweichen, um zu versuchen, über die Adria nach Italien zu gelangen.
Neue Fluchtrouten verhindern
Die Anrainer der Balkanroute wollen verhindern, dass Flüchtlinge neue Routen über ihre Staatsgebiete suchen. Ungarn rief vorsorglich den Krisenzustand aus, was der Polizei mehr Rechte einräumt und dichtere Personenkontrollen ermöglicht. Ungarns Grenzen zu Serbien und Kroatien sind bereits mit Zäunen abgesperrt. Auch Bulgariens Innenministerin Rumjana Batschwarowa erklärte: "Wir haben dieses Risiko erkannt und ergreifen alle Maßnahmen dagegen."
Die EU-Innenminister beraten heute über die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise. Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seine europäischen Kollegen wollen bei dem Treffen in Brüssel über die Umsetzung der Grundsatzvereinbarung sprechen, die beim EU-Türkei-Gipfel Anfang der Woche getroffen wurde.
Spätestens auf dem nächsten Gipfel am 17. und 18. März will die EU ein Bündnis mit der Türkei schließen, um den Flüchtlingszustrom einzudämmen und in geordnete Bahnen zu lenken. Das türkische Angebot sieht vor, dass die EU alle illegal ankommenden Menschen von den griechischen Inseln wieder in die Türkei zurückschicken kann. Zugleich sollen aber ebenso viele Flüchtlinge legal aus der Türkei in die EU kommen.