EU-Flüchtlingspolitik Österreich fordert weitere Grenzschließungen
Die Balkanroute ist geschlossen. Österreich fürchtet nun, dass Flüchtlinge auf andere Strecken ausweichen könnten. Außenminister Kurz fordert deshalb weitere Grenzschließungen. Bundeskanzler Faymann fordert Deutschland erneut auf, eine Obergrenze für Flüchtlinge einzuführen.
Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz will verhindern, dass Migranten nach der Schließung der Balkanroute auf andere Strecken ausweichen. "Schlepperei lässt sich nicht ganz verhindern.
Wir werden daher alles, was wir jetzt an der Westbalkanroute tun, auch entlang der Italien-Mittelmeer-Route tun müssen, damit klar ist, die Zeit des Durchwinkens der Flüchtlinge nach Mitteleuropa ist vorbei - egal auf welcher Route", sagte Kurz der "Bild am Sonntag". "Die Grenzen müssen geschlossen bleiben." Sie könnten erst wieder aufgehen, "wenn der Flüchtlingszustrom nach Europa abgeebbt ist".
Beim EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise am kommenden Donnerstag und Freitag erwartet Kurz eine Einigung mit der Türkei. Er warnte aber davor, sich ganz auf die Regierung in Ankara zu verlassen:
Wir müssen dafür sorgen, dass wir der Türkei nicht ausgeliefert sind. Das tun wir, indem die europäischen Regierungen wieder eigenständig Kontrolle darüber erlangen, wer zu uns kommt. Also die Flüchtlinge in Griechenland versorgen und nicht weiter nach Deutschland oder Österreich reisen lassen.
Ankara fordert eine Beschleunigung der geplanten Visa-Erleichterungen und zusätzliche Hilfszahlungen. Im Grundsatz vereinbart ist, dass die EU künftig alle unerlaubt eingereisten Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück in die Türkei schickt. Für jeden zurückgeschickten Syrer soll die EU einen syrischen Flüchtling legal aus der Türkei einreisen lassen.
Offenbar beschleunigte Auswahlverfahren geplant
Die EU-Mitgliedstaaten arbeiten einem Zeitungsbericht der "Welt am Sonntag" zufolge an einem beschleunigten Auswahlverfahren, um schnell große Flüchtlingskontingente aus der Türkei aufnehmen zu können. Bereits am Montag treffen sich dazu offenbar Experten zu weiteren Beratungen, wie die Zeitung unter Berufung auf EU-Verhandlungskreise berichtete.
Die in der Vergangenheit praktizierte Auswahl durch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR wird demnach nicht in Betracht gezogen. Der intensive Auswahlprozess durch das UNHCR würde dazu führen, dass pro Jahr nicht mehr als rund 50.000 Syrer in der Türkei dafür infrage kämen. Ankara erwartet jedoch, dass die EU deutlich mehr Syrer aufnimmt.
Bei einem beschleunigten Verfahren soll der Fokus dem Bericht zufolge darauf gelegt werden, dass von einem "ausgewählten" Flüchtling keine Gefahr ausgeht. Eine Voraussetzung könnte ein vorhandenes Ausweisdokument sein, das mit Datenbanken abgeglichen werden kann. Umfangreichere Interviews könnten später in der EU nachgeholt werden. Die Rolle der türkischen Behörden bei dem Auswahlprozess soll deutlich gesteigert werden.
Faymann: "Balkanroute soll weiterhin geschlossen bleiben"
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann forderte Deutschland erneut dazu auf, eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen einzuführen. "Erst wenn Deutschland einen Richtwert nennt und Flüchtlinge nur noch direkt aus den Krisenregionen holt, durchbricht man die Logik der ungeordneten Migration", sagte er der Tageszeitung "Österreich". Gemessen am Wiener Richtwert sollte die Bundesrepublik jährlich 400.000 Flüchtlinge aufnehmen. Die Balkanroute sollte weiterhin geschlossen bleiben. Männer, Frauen und Kinder, die mit Hilfe von Schleppern an der EU-Außengrenze ankommen, müssten ausnahmslos zurückgeschickt werden.
Kanzlerin Angela Merkel soll nach Meinung Faymanns klare Regeln für die Verteilung der Menschen einführen. "Sie muss das Modell durchbrechen, dass in einem Wettlauf jener der Sieger ist, der Deutschland erreicht. Man kann sich das Aufnahmeland nicht aussuchen", sagte Faymann der "Kronen Zeitung".
Immer weniger Flüchtlinge kommen in Deutschland an
Die Grenzschließungen schlagen sich bereits in der Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge nieder. Laut "Bild am Sonntag" kamen in den ersten zehn März-Tagen nur noch rund 2900 Flüchtlinge nach Deutschland. Am Mittwoch dieser Woche seien es 89 gewesen, am Donnerstag 92. Im Januar waren es dem Bericht zufolge noch 64.700 Flüchtlinge, im Februar 37.600.
Dafür steigt die Zahl der Flüchtlinge in Griechenland weiter. Nach Angaben der Regierung in Athen halten sich derzeit 44.000 Menschen im Land auf. Aufnahmekapazität gebe es aber nur für rund 31 000 Menschen.
In dem provisorischen Lager in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze warten demnach unverändert 12.000 Migranten. Trotz mangelnder Unterkünfte und Versorgung dort wollen viele Flüchtlinge nicht abreisen, weil sie weiter hoffen, die Grenze könne sich öffnen.