Tschechiens Präsident unterschreibt EU-Reformvertrag Ein letztes Donnerwetter des Unbeirrbaren
Mit seiner Unterschrift hat Tschechiens Präsident Klaus den Weg für das Inkrafttreten des EU-Vertrags von Lissabon freigemacht. Zuvor hatten die Verfassungsrichter alle rechtlichen Einwände vehement zurückgewiesen. Klaus erwartet dennoch das Ende des souveränen Tschechiens.
Von Christina Janssen, ARD-Hörfunkstudio Prag
Das monatelange Tauziehen um den Lissabon-Vertrag ist beendet: Um 16 Uhr trat Tschechiens Präsident Vaclav Klaus vor die Presse und teilte mit, er habe die EU-Reform bereits unterschrieben. Es war - wie so oft - ein Statement von wenigen Minuten. Fragen waren nicht zugelassen.
Dafür nutzte der EU-Kritiker Klaus seinen letzten Auftritt in Sachen Lissabon-Vertrag, um das tschechische Verfassungsgericht scharf zu attackieren. Das Urteil der Richter - so sein Fazit - sei stümperhaft. "Das Urteil des Verfassungsgerichts ist keine neutrale Analyse, sondern eine voreingenommene politische Verteidigung des Lissabon-Vertrags", sagte Klaus. "Vor allem aber kann ich dem Inhalt des Urteils nicht zustimmen. Denn mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags hört die Tschechische Republik - entgegen der politischen Ansicht des Verfassungsgerichts - auf, ein souveräner Staat zu sein."
"Tschechien hört auf, ein souveräner Staat zu sein" - Präsident Vaclav Klaus.
"Alle Zweifel sind ausgeräumt"
Ein letztes Donnerwetter. Die Regierung in Prag kann trotzdem aufatmen. Denn ihr Ziel war es, die EU-Reform bis zum Jahresende zu ratifizieren. Das ist nun gelungen. "Jetzt sind alle Zweifel an der EU-Reform ausgeräumt", sagte Europaminister Stefan Füle. "Und Tschechien wird auch mit dem Lissabon-Vertrag ein souveräner Staat bleiben - mit allem drum und dran."
Zuvor hatten die Verfassungsrichter in Brünn ein einstimmiges Urteil gefällt und schienen es geradezu in Stein meißeln zu wollen. "Der Lissaboner Vertrag insgesamt und in seinen einzelnen Paragraphen", so der Vorsitzende Richter Pavel Rychetsky, "steht nicht im Widerspruch zur Verfassungsordnung der Tschechischen Republik". Die Bedenken der EU-Kritiker teilten die Richter nicht. Durch den Lissabon-Vertrag werde weder die EU undemokratischer, noch gefährde er die Souveränität Tschechiens, hieß es in der Urteilsbegründung. Ganz im Gegenteil: Tschechien könne seine Kompetenzen durch gemeinsames Handeln im europäischen Verbund sogar stärken.
Verfassungsrichter Rychetsky hält das Thema Lissabon-Vertrag nach dem Urteil für erledigt.
Das Urteil war ein Basta. Für ihn, so Verfassungsrichter Rychetsky, sei das Thema Lissabon jetzt erledigt. Er machte seinem Zorn noch einmal Luft: Die Verzögerungstaktik der EU-Kritiker habe an Obstruktion gegrenzt. Das Verfassungsgericht sei nicht der Schauplatz für die Schlammschlachten der Parlamentarier.
Richter beklagen Verzögerungstaktik
Mit ihrer Urteilsbegründung formulierten die Brünner Richter deshalb eine neue Regelung, um solchen Manövern künftig einen Riegel vorzuschieben: "Für die Zukunft hat das Verfassungsgericht entschieden, dass es solch eine Klage beim nächsten Mal ablehnen würde. Es ist nicht zulässig, den Verlauf der Verhandlungen über internationale Verträge auf diese Weise zu behindern", stellten die Richter klar.
Diese Botschaft ist bei den tschechischen EU-Krikern angekommen. Ihr Wortführer Jiri Oberfalzer sagte, man werde die Verfassungsrichter in Brünn nicht noch einmal behelligen. "Mit dieser Klage sind unsere Möglichkeiten ausgeschöpft. Wir erwägen keine weiteren Schritte", stellte er klar. Ganz stimmt das nicht: Denn Oberfalzer schloss nicht aus, das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anzufechten. Notfalls im Alleingang.