Ratifizierung des EU-Vertrags Polen lenkt ein, Tschechien spielt auf Zeit
Der EU-Vertrag von Lissabon kann erst in Kraft treten, wenn alle 27 Mitgliedsstaaten zugestimmt haben. Zwei Unterschriften fehlen noch: Während Tschechiens Präsident Klaus seine Zustimmung an neue Bedingungen geknüpft hat, kündigte Polens Präsident Lech Kaczynski seine Unterschrift für Samstag an.
Nach dem irischen Ja zum EU-Vertrag von Lissabon bröckelt die Front der Verweigerer: Der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski wird das Vertragswerk an diesem Samstag unterschreiben. Das teilte der Chef der Präsidentenkanzlei, Wladyslaw Stasiak, in Warschau mit. An der Zeremonie um 12 Uhr im Präsidentenpalast sollten auch EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso sowie der Vorsitzende des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, teilnehmen. Kaczynski hatte seine Unterschrift lange Zeit unter Hinweis auf die ausstehende Entscheidung in Irland verweigert.
Dagegen baute Tschechiens Präsident Vaclav Klaus neue Hürden auf. Im Gespräch mit dem amtierenden EU-Ratspräsidenten Fredrik Reinfeldt knüpfte er seine Unterschrift unter den EU-Vertrag an eine neue Bedingung. Demnach forderte Klaus eine Ergänzung in Form einer Fußnote. Er habe Klaus so verstanden, dass damit eine Passage zur Grundrechte-Charta im Vertragswerk ergänzt werden soll, sagte Reinfeldt. Die Fußnote solle dann vom Europäischen Rat bestätigt werden. Er habe dem tschechischen Präsidenten zu verstehen gegeben, dass dies die "falsche Botschaft" sei, erläuterte Reinfeldt. "Ich habe ihm klar gesagt, dass es auf seine Tinte auf dem Papier ankommt. Ich will nicht, dass dadurch der Vertrag weiter verzögert wird."
Neue diplomatische Offensive
Bislang hatte Klaus seine Unterschrift unter den Vertrag mit dem Hinweis auf eine noch ausstehende Prüfung des Verfassungsgerichts verweigert. Die Richter in Brno (Brünn) haben zugesichert, den Fall vorrangig zu behandeln und noch im Oktober eine erste öffentliche Sitzung abzuhalten. Tschechiens Regierungschef Jan Fischer geht von einer Ratifizierung noch in diesem Jahr aus.
Die EU reagierte auf die erneute Verzögerungstaktik des tschechischen Präsidenten mit einer neuen diplomatischen Offensive. So reist der Präsident des Europa-Parlaments am Freitag nach Prag. Er wolle mit Klaus "über die Kosten einer Verzögerung" des Reformwerks sprechen.
Der Vertrag von Lissabon kann erst in Kraft treten, wenn er in allen 27 EU-Staaten ratifiziert worden ist. Derzeit fehlen noch die Unterschriften des tschechischen und des polnischen Präsidenten. Die EU ringt schon seit mehr als zehn Jahren um die Reform, die wegen der Erweiterung auf mittlerweile 27 Staaten notwendig wurde.