Kommentar Ende eines absurden Theaterstücks
Der tschechische Präsident Klaus hat den EU-Reformvertrag unterschrieben - nachdem die Gegner der Vereinbarung vor dem Verfassungsgericht seines Landes eine vernichtende Niederlage kassiert hatten. Am Ende wurden aber alle beschädigt: die EU, die tschechische Demokratie und Klaus selbst, meint Christina Janssen.
Von Christina Janssen, ARD-Hörfunkstudio Prag
Vielleicht hat Justitia unter ihrer Augenbinde noch einmal freundlich gezwinkert. Sonst wäre der Vorsitzende Richter Pavel Rychetsky wohl förmlich explodiert. Vernichtender hätte die Kritik am Verhalten der tschechischen EU-Gegner jedenfalls nicht ausfallen können: Ihre Stör-Manöver hätten an Obstruktion gegrenzt, erklärte der Verfassungsrichter. Weitere Klagen dieser Art würden künftig nicht mehr zugelassen. Das hat gesessen. Selbst Europas president terrible Vaclav Klaus konnte an diesem Verdikt nicht vorbei. Das "absurdni divadlo", das absurde Theater, das die Tschechen seit Monaten mal amüsiert, mal fassungslos verfolgen, geht zu Ende. Es war höchste Zeit.
Die Lösung für ein selbstgemachtes Problem
Vaclav Klaus und seiner Chaostruppe aus dem tschechischen Senat war kein Argument zu billig, um die EU-Reform zu stoppen. Als nichts anderes mehr blieb, beschworen sie das alte Schreckgespenst von den vertriebenen Sudetendeutschen herauf und riefen in ihren Landsleuten Ängste wach, die die meisten längst vergessen hatten - das nur, um sich anschließend als Retter der Nation in Szene zu setzen. Seht her: Ich bin die Lösung der Probleme, die ich Euch eingeredet habe.
Beziehungen und demokratische Institutionen beschädigt
So hat der tschechische Präsident hat seine gesichtswahrende Lösung bekommen: eine Ausnahmeregelung zur europäischen Grundrechtecharta. Doch der Preis für seine Unterschrift war hoch. Auf die deutsch-tschechischen Beziehungen, die nach Jahren endlich auf einem guten Weg sind, wirft Klaus’ revisionistische Rhetorik einen dunklen Schatten. Er hätte offenbar keine Bedenken gehabt, sie auf dem Altar seiner Eitelkeit zu opfern. Schlimmer noch: Sein abenteuerlicher Feldzug gegen die demokratischen Institutionen seines Landes - gegen Regierung, Parlament und Verfassungsgericht.
Ein Burgherr spielt sich noch einmal auf
Seinen Auftritt heute nutzte der Präsident zum wiederholten Male dazu, den obersten Juristen seines Landes zu erklären, wie sie ihren Job eigentlich hätten machen sollen. Der Ökonom Klaus muss es ja wissen. Gerade die jungen Tschechen, die sich mehrheitlich in Europa verorten, lässt das an ihrer Demokratie zweifeln. Für sie sind nicht die Sudetendeutschen ein Schreckgespenst, sondern der Prager Burgherr Vaclav Klaus - ganz zu schweigen von all jenen, die sich unter Einsatz ihres Lebens dafür engagiert haben, dass ihr Land sich demokratisiert und ein Teil Europas wird. 20 Jahre nach dem Niedergang des Kommunismus wurde das Erbe der Samtenen Revolution mit Füßen getreten.
Noch eine absurde Klage?
Die Brüsseler Klaus-Klausel war ein Sieg des Populismus. Das tschechische Verfassungsgericht hat ihm einen Sieg der Demokratie entgegen gesetzt. Ende gut, alles gut, Vorhang zu? Vielleicht bietet das "absurdni divadlo" ja noch ein Zugabe in bewährter Besetzung: Die EU-Kritiker im tschechischen Senat erwägen allen Ernstes, das Urteil der Verfassungsrichter ausgerechnet vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof anzufechten. Das heißt letztlich doch nur eines: So schlecht wie behauptet kann die EU wohl nicht sein. Vielleicht darf Justitia bald noch einmal leise kichern.