Zwischenfall über Schwarzem Meer Absturz von US-Drohne nach Kollision mit russischem Jet
Eine US-Aufklärungsdrohne ist nach Angaben aus Washington über dem Schwarzen Meer abgestürzt, nachdem sie von einem russischen Kampfjet gerammt worden war. Die USA machen Russland schwere Vorwürfe. Moskau weist die Verantwortung von sich.
Über dem Schwarzen Meer ist nach Angaben des US-Militärs ein russischer Kampfjet mit einer US-Drohne zusammengestoßen. Die Aufklärungsdrohne habe danach zum Absturz gebracht werden müssen, teilte das US-Militär mit. Der militärische Zwischenfall über internationalem Gewässer sorgt für neue Spannungen zwischen den USA und Russland.
Die US-Amerikaner beklagten, "unsicheres und unprofessionelles" Handeln der russischen Seite habe den Vorfall verursacht. Die US-Regierung bemühte sich aber auffallend, nicht in eine Eskalationsspirale einzusteigen.
Moskau weist Verantwortung zurück
Die USA bestellten am Abend den russischen Botschafter in Washington, Anatoly Antonov, ein. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, sagte, man werde ihn über die "starken Einwände gegen das eindeutig unsichere und unprofessionelle Abfangen" informieren. Antonov sagte nach dem Treffen, Moskau werte den Absturz als Provokation.
Er warf den USA vor, mit ihren Drohnen Aufklärungsdaten für die Ukraine zu sammeln. "Was machen sie Tausende Meilen entfernt von den Vereinigten Staaten? Die Antwort ist offensichtlich - sie sammeln Geheimdienstinformationen, die später vom Kiewer Regime genutzt werden, um unsere Streitkräfte und unser Territorium anzugreifen."
Zuvor hatte bereits das russische Verteidigungsministerium jede Verantwortung im Zusammenhang mit dem Absturz der US-Drohne zurückgewiesen. Die Drohne sei weder beschossen noch auf andere Weise angegriffen worden, heißt es in einer von der Staatsagentur Tass verbreiteten Mitteilung. Zwar hätten die Kampfjets die US-Drohne abgefangen. Es habe aber keinerlei Kontakt gegeben.
Eine Alarmrotte der russischen Luftwaffe sei aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren. Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe die Drohne rapide an Höhe verloren und sei in das Meer gestürzt, lautete die Darstellung des russischen Militärs. "Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück."
USA warnen Russland vor Eskalation
Die US-Regierung warnte Moskau vor einer Eskalation. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, wies die Darstellung aus Moskau zu dem Vorfall zurück und sagte, die US-Regierung erwäge, Bildmaterial von dem Aufeinandertreffen einer US-Drohne mit zwei russischen Kampfjets zu veröffentlichen, um für Aufklärung zu sorgen.
Kirby mahnte, ein derart unangemessenes Vorgehen russischer Piloten könnte zu "Fehleinschätzungen" zwischen den Streitkräften beider Länder führen. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte er: "Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat."
Kampfjet streifte offenbar Propeller der Drohne
Vom US-Militär hieß es zum Ablauf, zwei russische Kampfjets hätten ein Abfangmanöver mit der amerikanischen Drohne vom Typ MQ-9 Reaper betrieben. Einer der Kampfjets habe dabei den Propeller der amerikanischen Aufklärungsdrohne gestreift. Diese sei danach nicht mehr manövrierfähig gewesen, US-Kräfte hätten sie deshalb vom Himmel holen und ins Meer stürzen lassen müssen, erklärte Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Seinen Angaben zufolge waren die russischen Kampfjets zuvor rund 30 bis 40 Minuten lang neben der Drohne geflogen.
Zuvor hätten die russischen Piloten bereits Treibstoff auf die Drohne abgelassen und seien vor sie geflogen. Bei dem Zusammenstoß sei auch der russische Jet fast abgestürzt.
"Gefährlich und unprofessionell"
Zur Frage nach einer möglichen Bergung des Fluggeräts äußerte sich der Sprecher zunächst nicht. Ryder betonte aber, der Vorfall habe vermutlich auch an dem russischen Kampfjet einen Schaden verursacht. Dieser sei nach dem Vorfall wieder gelandet - wo, das sagte er nicht.
Mit Blick auf die Veröffentlichung möglicher Videoaufnahmen, verwies der Pentagon-Sprecher darauf, dass dafür ein Freigabeprozess durchlaufen werden müsste, um die Geheimhaltung solcher Bilder aufzuheben. Das Ministerium werde die Öffentlichkeit hierzu auf dem Laufenden halten.
"Dieser Vorfall zeugt von einem Mangel an Kompetenz, zusätzlich dazu, dass er gefährlich und unprofessionell war", sagte der US-Luftwaffengeneral James Hecker, der die US-Luftwaffe in Europa und Asien befehligt. "Die Flugzeuge der USA und der Alliierten werden weiterhin im internationalen Luftraum operieren und wir fordern die Russen auf, sich professionell und sicher zu verhalten."
Drohnen ständig im Einsatz
Dieser Vorfall reihe sich ein in eine Serie von gefährlichen Aktionen russischer Piloten mit Flugzeugen der USA und der Alliierten im internationalen Luftraum, auch über dem Schwarzen Meer, beklagte das US-Militär weiter. Diese "aggressiven Handlungen" der russischen Seite seien gefährlich und könnten zu "Fehleinschätzungen und unbeabsichtigten Eskalationen" führen.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind ständig US-Drohnen über dem Schwarzen Meer im Einsatz, an dessen Nordküste die Ukraine und Russland grenzen. Die MQ-9-Reaper-Drohne wird dabei in erster Linie zur Aufklärung genutzt, sie kann aber auch Präzisionsangriffe durchführen. Sie kann lange in der Luft bleiben und verfügt über Sensoren, die einen weiten Bereich abdecken. Die Drohne wird aus der Ferne gesteuert.
Biden und NATO-Partner über Vorfall informiert
Abfangmanöver haben nicht unbedingt zum Ziel, ein Flugzeug abzudrängen oder zur Landung zu zwingen, sondern dienen oft dazu, um zum Beispiel durch Sichtkontakt festzustellen, ob von einem verdächtigen Flugzeug oder Fluggerät eine Gefahr ausgeht. Kirby betonte, Manöver dieser Art seien an sich nicht unüblich. Dieser Fall steche allerdings heraus durch das unsichere und unprofessionelle Vorgehen der russischen Seite, das zu einem kompletten Verlust der Drohne geführt habe.
Falls die Russen mit der Aktion die USA davon abhalten wollten, im internationalen Luftraum zu fliegen und zu operieren, dann werde diese Botschaft keinen Erfolg haben, betonte Kirby. "Denn das wird nicht geschehen", so der Sprecher des Sicherheitsrats. "Wir werden weiterhin im internationalen Luftraum über internationalen Gewässern fliegen und operieren." Das Schwarze Meer gehöre nicht einer einzelnen Nation.
US-Präsident Joe Biden sei über den Vorfall informiert worden. Die USA hätten auch ihre Verbündeten und Partner auf höchster Ebene informiert, als sie von den Details des Vorfalls erfahren hätten.
Price bezeichnete den Zwischenfall als dreiste Verletzung des Völkerrechts. Die USA hätten den russischen Botschafter einbestellt, um Protest einzulegen, und die US-Botschafterin in Russland, Lynne Tracy, sei in ähnlicher Weise in Moskau vorstellig geworden, sagte er.
Angst vor direkter militärischer Konfrontation
Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist die Lage besonders angespannt und die Angst vor einer möglichen direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland groß.
Die Amerikaner unterstützen Kiew zwar im großen Stil mit militärischer Ausrüstung in dem Krieg, haben aber rigoros ausgeschlossen, sich mit eigenen Soldaten einzuschalten, um einen militärischen Konflikt von globalem Ausmaß zu verhindern.