Scholz zum Umgang mit Orban "Das ist für besondere Momente"
Einstimmigkeit ist in der EU schwer zu erreichen. Beim Gipfel in Brüssel gelang es nur dank einer Kaffeepause für Ungarns Premier Orban. Dauerhaft etablieren will Kanzler Scholz dies aber nicht. Die EU-Kommission will der Ukraine weiter helfen - auch ohne Ungarn.
Die Einigung beim EU-Gipfel zu Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine gelang nur ohne Ungarns Premier Viktor Orban. Weil der bei der Abstimmung den Raum für eine Kaffeepause verließ, konnten die 26 verbleibenden Staaten ein einstimmiges Votum für Gespräche mit Kiew erzielen. Das könne und dürfe nicht zur Regel werden, mahnte Kanzler Olaf Scholz nach dem Treffen. "Das ist für besondere Momente", sagte der SPD-Politiker.
Scholz bekannte sich zu der Idee einer kurzen Auszeit für Orban, um eine Einigung der Mitgliedsländer für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu ermöglichen. Er habe dies dem ungarischen Regierungschef vorgeschlagen und dieser habe nach einer Bedenkzeit zugesagt. "Dann haben wir die Entscheidung gefasst, zu 26 im Raum", erzählte Scholz. Laut Scholz sei es "kein Trick", sondern ein Hilfsangebot für Orban gewesen. Ein Konsens und Kompromisse würden "nicht vom Himmel fallen wie der Heilige Geist", sie müssten erarbeitet werden.
Der amtierende niederländische Regierungschef Mark Rutte hatte die Idee zuvor "genial" genannt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte nach dem Gipfel, er erwarte von Orban, dass dieser "seiner Pflicht nachkommt, sich wie ein Europäer verhält und politische Fortschritte nicht als Druckmittel verwendet".
Kritik an Orbans Verhalten
Dass Orban nach dem Gipfel weitere Blockaden ankündigte, sorgte bei den anderen EU-Staaten für schlechte Stimmung. Belgiens Regierungschef Alexander de Croo etwa schimpfte offen über die Äußerungen Orbans.
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, kritisierte die Blockadehaltung Ungarns. Orban führe sich am Verhandlungstisch in Brüssel auf wie der beste Vertreter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagte Weber im Deutschlandfunk. Man dürfe sich nicht länger von Orban auf der Nase herumtanzen lassen.
Die EU-Kommission hatte eine Aufstockung des EU-Haushalts vorgeschlagen, um die Ukraine vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu bewahren. Mit dem Geld sollen etwa Renten ausgezahlt, Schulen betrieben und die Beitrittsverhandlungen mit der EU organisiert werden. Militärhilfe ist nicht dabei.
Für das Vorhaben sollten insgesamt 50 Milliarden Euro eingeplant werden. 17 Milliarden Euro davon sollten als Zuschüsse fließen und 33 Milliarden Euro als Kredite. Auf Deutschland wären rund eine Milliarde Euro pro Jahr zugekommen. Doch Orban blockierte die Auszahlung.
Kanzler Scholz schloss aus, Verhandlungen über Ukraine-Hilfen mit der Freigabe eingefrorener Mittel für Ungarn zu verknüpfen. "Es darf keine Verknüpfung von Fragen geben, die nicht miteinander zusammenhängen", sagte er nach den zweitägigen Beratungen.
Von der Leyen verspricht der Ukraine eine Lösung
Sollte Ungarn weitere Hilfen für die Ukraine blockieren, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Plan B an. "Wir arbeiten natürlich sehr hart daran, ein Ergebnis zu erzielen, bei dem eine Einigung der 27 Mitgliedstaaten vorliegt." Aber sie wolle Alternativen prüfen, sagte von der Leyen.
Anfang des kommenden Jahres soll nun ein Sondergipfel zu den Milliardenhilfen für Kiew angesetzt werden, der Termin ist noch offen. Von der Leyen versprach, ihre Behörde werde bis dahin eine machbare Lösung finden - "was auch immer bei dem Gipfel passiert". Orban selbst schlug vor, die Ukraine-Hilfen nicht im EU-Haushalt anzusiedeln, was bei den anderen 26 Gipfelteilnehmern jedoch nicht auf viel Gegenliebe stieß. "Es ist möglich, dass 26 Mitgliedstaaten das Geld auf bilateraler Basis zur Verfügung stellen, nicht über den Mehrjahreshaushalt", sagte Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar dazu.