Balázs Orbán, der politische Berater von Ungarns REgierungschef Viktor Orban (nicht verwandt)
interview

Ungarns Haltung beim EU-Gipfel Orbans Kaffeegeschichte und eine Blockadedrohung

Stand: 15.12.2023 17:52 Uhr

Orban geht zum Kaffeetrinken und der EU-Gipfel hat eine Einigung. Wie es dazu kam, berichtet Balazs Orban, der politische Berater von Ungarns Premier Orban im tagesschau.de-Interview. Für die Zukunft kündigt er weitere Blockaden an.

tagesschau.de: Alle fragen sich, was will Viktor Orban in Bezug auf die Ukraine? 

Orban: Die Europäische Kommission hat sieben Bedingungen für den Beginn der Beitrittsverhandlungen gestellt. Sie sagt selbst, dass die Ukraine nicht alle Empfehlungen erfüllt. Selbst die Kommission sagt also, dass die Ukraine nicht bereit ist für das, was wir gerade tun. 26 Mitgliedsstaaten wollten trotzdem Beitrittsgespräche. Wir aber können die Verantwortung für diese schlechte Entscheidung nicht übernehmen. Deshalb gibt es seit der gestrigen Entscheidung keine Einigkeit mehr in der Europäischen Union über die Ukraine.  

tagesschau.de: Werden Sie die nächsten Schritten der Beitrittsgespräche blockieren?  

Orban: Selbst der deutsche Bundeskanzler und alle Staats- und Regierungschefs haben gesagt, dass wir mindestens 70 oder 80 Gelegenheiten haben werden, den Prozess zu stoppen. Weil alle Elemente einstimmige Entscheidungen erfordern. Also lassen wir es jetzt gut sein. Und später können wir die Fragen diskutieren.  

"Zusätzliche Mittel für die Ukraine außerhalb des Haushalts"

tagesschau.de: Sprechen wir über die Fördergelder für Ungarn. Viktor Orban sagte heute im ungarischen Radio, jetzt sei eine gute Gelegenheit, das zu bekommen, was Ungarn verdiene - und meinte damit rund 20 Milliarden Euro, die die Kommission für sie gesperrt hat. Verknüpfen Sie die Finanzhilfe für die Ukraine mit den EU-Geldern für Ungarn? 

Orban: Wir haben vom ersten Moment an gesagt, dass wir nicht glauben, dass eine Änderung des EU-Budgets notwendig ist. Wir sind der Meinung, dass alle finanziellen Mittel, die im Haushalt vorhanden sind, ausreichend sind. Und wenn die Mitgliedsstaaten zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Ukraine wollen, dann können sie das außerhalb des Haushalts tun.  

tagesschau.de: Aber sagen Sie: Wenn Ungarn das Geld nicht bekommt, dann kommen die anderen Dinge nicht voran - etwa die Hilfe für die Ukraine?  

Orban: Ja, und das sollte in den kommenden Monaten diskutiert werden. Wenn es eine gute Vorbereitung gibt und die europäische Bürokratie dafür offen ist, können wir dieses Thema auf einer der nächsten Ratssitzungen behandeln.  

tagesschau.de: Es gibt viele Vorwürfe gegen Viktor Orban, dass er am Gipfeltisch Putins Spiel spielt. Was sagen Sie dazu?  

Orban: Viktor Orban ist einer der ganz wenigen antikommunistischen Führer an diesem Tisch. Es gibt nur einen weiteren antikommunistischen Führer am Tisch: Donald Tusk. Er ist also der Einzige, der das Recht hat, dies zu sagen. Die anderen nicht.  

"Bilaterale Diskussion mit dem Kanzler"

tagesschau.de: Was hat Viktor Orban gestern gemacht, als er aus dem Raum gebeten wurde? Man hört, er habe Kaffee getrunken.  

Orban: Er kam in den Delegationsraum und wir haben die Themen besprochen. Aber es war nur eine sehr kurze Zeitspanne. 

tagesschau.de: Und wann wurde diese Idee zum ersten Mal debattiert? Oder wurde Orban im Saal davon überrascht?  

Orban: Es gab eine ernsthafte bilaterale Diskussion zwischen dem deutschen Bundeskanzler und ihm. Und sie haben sich darauf geeinigt.  

"...dann ist es passiert"

tagesschau.de: Schon beim Frühstück am Morgen?   

Orban: Nein, im Gipfel-Saal. Es gab am Morgen andere Diskussionen, an deren Ende war offensichtlich: 26 Mitgliedstaaten wollen vorangehen, Ungarn hingegen will seine Position nicht ändern. Und was sollte die Lösung dafür sein? Also kam diese Idee auf, die vom deutschen Bundeskanzler eingebracht wurde. Es gab eine Diskussion darüber, man hat sich geeinigt und dann ist es passiert.   

Das Gespräch führten Markus Preiß und Merle Tilk, ARD-Studio Brüssel. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 15. Dezember 2023 um 12:00 Uhr.