Nach massiven Raketenangriffen Ukraine schaltet in mehreren Regionen den Strom ab
Mit schweren Luftangriffen zielte Russland gestern auf die Energieversorgung der Ukraine. Um die Schäden zu beheben, kommt es heute landesweit zu Stromabschaltungen. Auch in Atomkraftwerken wird die Stromproduktion gedrosselt.
Nach den jüngsten russischen Angriffen auf die Energieinfrastruktur haben in der Ukraine landesweite Stromabschaltungen begonnen. In verschiedenen Regionen wird bis zum späten Abend für mehrere Stunden der Strom abgestellt. Dazu veröffentlichte der nationale Stromversorger Ukrenerho vorab Zeitpläne.
Ob es auch Begrenzungen in den nächsten Tagen geben wird, ist nicht bekannt. Die Abschaltungen seien notwendig, um Schäden durch die gestrigen massiven Raketen- und Drohnenangriffe des russischen Militärs zu beheben, teilte Ukrenerho mit.
Ukrainische Flugabwehr überwältigt
Trotz Vorbereitungen der Ukraine zum Schutz der Infrastruktur gegen Angriffe war es dem russischen Militär gelungen, die Schutzschilde zu durchdringen. Bereits in den vergangenen beiden Kriegswintern hatte Russland versucht, die Zivilbevölkerung mit Angriffen auf die ukrainische Energieversorgung unter Druck zu setzen.
Die russische Angriffswelle zählte nach ukrainischen Angaben zu den größten im bisherigen Kriegsverlauf. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von 120 Raketen und 90 Drohnen, die Russland in der Nacht zum Sonntag und am frühen Morgen eingesetzt habe, um kritische Infrastruktur zu attackieren. Heute meldete die ukrainische Luftwaffe verhältnismäßig geringe Zahlen, demnach habe Russland das Land über Nacht mit elf Drohnen angegriffen.
Tote bei Raketenangriff auf Sumy
Gestern Abend kamen bei einem weiteren Raketenangriff auf die Großstadt Sumy im Nordosten der Ukraine dann mindestens elf Menschen ums Leben, darunter auch zwei Kinder, wie der amtierende Bürgermeister Artem Kobsar mitteilte. Ein neunstöckiges Wohnhaus sei zerstört worden. Nach weiteren Explosionen in Sumy fiel in der gesamten Stadt der Strom aus.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte die gestrigen Angriffe, die Zivilisten terrorisierten und die energetische Infrastruktur der Ukraine vor dem Winter zerstörten. "Die Ukraine braucht mehr Flugabwehr", schrieb er auf der Plattform X und kündigte an, diese Priorität beim nächsten Treffen des Außenminister- und Verteidigungsministerrats der EU zu präsentieren.
Atomkraftwerke drosseln Produktion
Aus Sicherheitsgründen hat die Ukraine auch die Stromproduktion ihrer Atomkraftwerke gedrosselt. Die Atomanlagen seien zwar nicht direkt getroffen worden, dafür aber Stationen, die mit ihnen verbunden sind, teilte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, mit.
Derzeit produzierten nur zwei der neun einsatzbereiten Reaktoren bei voller Kapazität, sagte er nach einem Gespräch mit dem Chef der ukrainischen Regulierungsbehörde. "Die Energieinfrastruktur des Landes ist extrem verwundbar, was sich unmittelbar auf die nukleare Sicherheit auswirkt", so Grossi.
Schwierige Lage an zwei Fronten
Neben der Zermürbungstaktik von Angriffen auf die Energieversorgung steht die Ukraine auch an den Fronten in der Ostukraine und der russischen Grenzregion Kursk unter erheblichem Druck. In Kursk bereitet Russland nach Angaben westlicher Geheimdienste eine Offensive mit rund 50.000 russischen und nordkoreanischen Soldaten vor, um von der Ukraine im Sommer erobertes Territorium zurückzugewinnen.
US-Präsident Joe Biden hat der Ukraine Medienberichten zufolge erlaubt, amerikanische ATACMS-Raketen in Kursk einzusetzen. Militärexperten warnen jedoch, die militärische Bedeutung dieses Schritts solle nicht überbewertet werden. Im Osten der Ukraine macht Russland unter hohen Verlusten seit mehreren Monaten stetige Gebietsgewinne.