Reaktionen auf US-Entscheidung Selenskyj: "Raketen werden für sich selbst sprechen"
Bislang hat sich US-Präsident Biden nicht zu Medienberichten über eine Freigabe von US-Waffen mit großer Reichweite geäußert. Auch der ukrainische Präsident Selenskyj sprach nur indirekt über die Erlaubnis. Aus Moskau hingegen kamen deutliche Worte.
Die USA haben der Ukraine offenbar den Einsatz von US-Waffen mit großer Reichweite in Russland erlaubt, wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichten. Sowohl in den USA als auch in der Ukraine sind offizielle Vertreter zurückhaltend. US-Präsident Joe Biden bestätigte die Berichte bislang nicht.
Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, ging in seiner abendlichen Videoansprache eher indirekt auf die Berichte über die Freigabe ein. "Heute gibt es viele Medienberichte, dass wir die Erlaubnis erhalten haben, angemessene Maßnahmen zu ergreifen", sagte er. "Angriffe werden nicht mit Worten geführt", sagte er. "Solche Dinge werden nicht angekündigt. Die Raketen werden für sich selbst sprechen."
Den Medienberichten zufolge soll die Erlaubnis für das Waffensystem ATACMS gelten, um die ukrainische Armee in der Region Kursk zu unterstützen. ATACMS-Raketen haben eine Reichweite von etwa 300 Kilometern.
Selenskyj fordert Entschlossenheit gegenüber Russland
Seit Monaten hatte der ukrainische Präsident bei den westlichen Partnern um eine Freigabe für den Einsatz der Waffen mit großer Reichweite gegen russische Ziele gerungen. Selenskyj ist der Ansicht, dass nur ein entschlossenes Vorgehen gegen den Kreml den Krieg beenden kann.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha hatte erklärt, es sei wichtig, "alle Beschränkungen für den Einsatz amerikanischer und britischer Waffen gegen legitime militärische Ziele in Russland aufzuheben".
Polen: Ukraine "hat das Recht, sich zu verteidigen"
Die polnische Regierung befürwortete die Entscheidung des US-Präsidenten. Biden habe auf die Entsendung nordkoreanischer Truppen nach Russland und die massiven russischen Raketenangriffe auf die Ukraine "in einer Sprache geantwortet, die Wladimir Putin versteht", schrieb Polens Außenminister Radoslaw Sikorski auf der Plattform X. "Das Opfer einer Aggression hat das Recht, sich zu verteidigen", fügte er hinzu.
Was sind ATACMS-Raketen?
Kreml-Vertreter: "Eskalation, die zum Dritten Weltkrieg führen könnte"
In Russland lösten die US-Medienberichte heftige Kritik aus. Angriffe mit amerikanischen Raketen tief in russische Regionen hinein würden unweigerlich zu einer ernsthaften Eskalation führen, die weitaus schwerwiegendere Folgen haben könnte, sagte Leonid Sluzki der russischen Nachrichtenagentur TASS. Sluzki ist Vorsitzender des Ausschusses für Internationale Angelegenheiten in der Staatsduma.
Noch entschiedener äußerte sich Wladimir Jabarow, der erste stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Internationale Angelegenheiten des russischen Föderationsrates. Die Genehmigung sei ein beispielloser Schritt, der zum Beginn des Dritten Weltkriegs führen könnte, sagte er gegenüber TASS. Russlands Reaktion würde sofort folgen. "Das ist ein sehr großer Schritt", sagte Jabarow. "Und die Amerikaner gehen ihn wegen eines scheidenden alten Mannes, der in zwei Monaten für nichts mehr verantwortlich sein wird."
Bisher keine offizielle Reaktion
Die Parlamentsabgeordnete Maria Butina sagte, die Biden-Administration versuche, die Lage zu eskalieren, solange sie noch an der Macht sei. Butina, die 15 Monate wegen Agententätigkeit in einem US-Gefängnis verbrachte, sitzt für die Regierungspartei Einiges Russland im Parlament. Sie habe die große Hoffnung, dass der designierte neue US-Präsident Donald Trump diese Entscheidung, sollte sie getroffen worden sein, rückgängig machen werde, sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters.
Die russische Regierung hat sich bislang nicht zu den Berichten geäußert. Putin hatte Mitte September jedoch gewarnt, dass eine Zustimmung des Westens zu einem solchen Schritt "die direkte Beteiligung der NATO-Staaten, der USA und europäischer Länder am Krieg in der Ukraine" bedeuten würde. Vor wenigen Wochen sagte Putin, dass sich das russische Verteidigungsministerium auf mehrere Reaktionsmöglichkeiten vorbereite.
Mit Informationen von Björn Blaschke, ARD-Studio Moskau, zzt. Baku.