Feuerwehrleute löschen den Brand eines zerstörten Gebäudes.

Strom teilweise abgeschaltet Massive Luftangriffe auf Energiesystem der Ukraine

Stand: 17.11.2024 10:34 Uhr

Russland hat die Ukraine massiv mit Raketen angegriffen. Der ukrainische Außenminister spricht von einer der schwersten Attacken des Krieges. Behördenangaben zufolge wurde kritische Infrastruktur zur Energieversorgung getroffen.

Das russische Militär hat am frühen Morgen Dutzende Marschflugkörper und ballistische Raketen auf Ziele in der Ukraine abgefeuert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem "massiven Angriff auf alle Regionen der Ukraine", bei dem rund 120 Raketen und 90 Drohnen zum Einsatz gekommen seien. Ziel der Angriffe sei Energieinfrastruktur in allen Landesteilen gewesen.

Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha bezeichnete den Angriff als einen der größten des Krieges. "Drohnen und Raketen gegen friedliche Städte, schlafende Zivilisten und kritische Infrastruktur", schrieb Sybiha auf dem Kurznachrichtendienst X. "Das ist die wahre Antwort des Kriegsverbrechers Putin an alle, die ihn in letzter Zeit angerufen und besucht haben. Wir brauchen Frieden durch Stärke, nicht durch Appeasement." Die ukrainische Regierung hatte bereits mehrfach scharfe Kritik am Telefongespräch zwischen Bundeskanzler Scholz und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geübt.

Das Ausmaß der Schäden ist noch schwer abzuschätzen. Kritische Infrastruktur in den Regionen Saporischschja und Krywyj Rih im Südosten der Ukraine sowie Riwne und Wolhynien im Westen des Landes sei beschädigt worden, teilten die örtlichen Gouverneure mit. Laut dem größten privaten Energieversorger der Ukraine, DTEK, wurde außerdem ein Wärmekraftwerk getroffen und schwer beschädigt. Mitarbeiter hätten bereits mit den Reparaturarbeiten begonnen.

In mehreren Gebieten wurde als Vorsichtsmaßnahme der Strom abgeschaltet, um einer eventuellen Überlastung des Netzes vorzubeugen. "Ein weiterer massiver Angriff auf das Stromnetz ist im Gange. Der Feind greift Stromerzeugungs- und -übertragungsanlagen in der gesamten Ukraine an", schrieb der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook.

Die ukrainische Regierung hatte in den vergangenen Wochen wiederholt erklärt, sie sei auf russische Angriffe auf Infrastruktur vorbereitet. Wie ARD-Korrespondent Vassili Golod aus Kiew berichtet, könnte die heutige Attacke den Beginn einer Winterangriffswelle markieren. Das Ziel Russlands sei es, der Zivilbevölkerung Wärme, Wasser und Strom zu nehmen und so den Druck zu erhöhen, so Golod.

Tote und Verletze in Mykolajiw

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew waren am Morgen mehrere von der Flugabwehr ausgelöste Explosionen zu hören. Behördenangaben zufolge gerieten zwei Wohnhäuser in Brand. Explosionen wurden auch aus Saporischschja, Dnipro, Krywyj Rih und Odessa gemeldet.

Nach einem Drohnenangriff in der südukrainischen Großstadt Mykolajiw wurden nach Behördenangaben zwei Frauen getötet und sechs Menschen verletzt. In Lwiw kam durch herabfallende Raketentrümmer ein Mensch ums Leben, wie der Gouverneur der Region mitteilte. In Odessa wurden zwei Todesopfer gemeldet. Angaben der ukrainischen Luftwaffe zufolge setzte Russland, wie im Moment fast jede Nacht, zunächst Dutzende Kampfdrohnen ein. Darauf folgten demnach Dutzende Marschflugkörper und ballistische Raketen, die unter anderem von strategischen Bombern abgefeuert wurden.

Polnische Luftabwehr in Alarmbereitschaft

Polen ließ aufgrund des massiven Angriffs Abfangjäger aufsteigen. Wie das Führungskommando der polnischen Armee mitteilte, wurden zudem die Radaraufklärungssysteme und Bodenluftverteidigungssysteme in höchste Bereitschaft versetzt. Die ergriffenen Maßnahmen zielten darauf ab, die Sicherheit in den Grenzbereichen zu gefährdeten Gebieten in der Ukraine zu gewährleisten.

Der NATO-Mitgliedsstaat Polen lässt bei jedem größeren Angriff auf den Westen der Ukraine Kampfjets aufsteigen. Dabei kommen wie in diesem Fall auch regelmäßig Kampfflugzeuge von NATO-Partnern zur Unterstützung zum Einsatz.

Rebecca Barth, ARD Kiew, tagesschau, 17.11.2024 09:49 Uhr