Auftakt des Ukraine-Gipfels Mit dem Aggressor Russland reden - aber wie?
Der Gipfel in der Schweiz soll die Grundlage schaffen für mögliche Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland. Davon ist man noch weit entfernt - das wurde schon zum Auftakt deutlich. Putins Bedingungen für Gespräche wurden scharf kritisiert.
In der Schweiz hat der zweitägige Ukraine-Gipfel begonnen. Am ersten Tag standen zwei Themen im Fokus: die Frage, ob und wie der Aggressor Russland in den weiteren Friedensprozess einbezogen werden kann. Und die Bedingungen, die Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag für einen Waffenstillstand und für Friedensgespräche gemacht hatte.
Saudi-Arabien: "Schwierige Kompromisse" erforderlich
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, Russland müsse an einem Friedensprozess beteiligt werden. "Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen", so Scholz.
Gleichzeitig forderte der Bundeskanzler Russland zum vollständigen Rückzug aus den Gebieten der Ukraine auf, die es besetzt hält. "Russland könnte diesen Krieg heute oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt beenden, wenn es seine Angriffe einstellt und seine Truppen aus der Ukraine abzieht."
Auch Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud, der Außenminister von Saudi-Arabien, betonte, glaubwürdige Verhandlungen über einen Frieden erforderten eine Beteiligung Russlands. Ein Fahrplan hin zum Frieden werde "schwierige Kompromisse" erfordern. Saudi-Arabien gilt als einer der möglichen Kandidaten als Gastgeber einer etwaigen Anschlusskonferenz.
Treffen soll Grundlage für Friedensgespräche schaffen
Zu dem Gipfeltreffen in der Schweiz war Russland nicht eingeladen worden - wohl aber Länder, die Russland nahe stehend gelten. Dessen wichtigster Verbündeter China hat allerdings abgesagt. Vertreter aus insgesamt 92 Ländern nehmen teil, darunter auch zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Ziel der Konferenz ist die Verständigung auf eine internationale Grundlage für mögliche Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland.
Dafür hatte Putin unmittelbar vor Beginn des Gipfels Bedingungen genannt. Die beiden zentralen sind: Die Ukraine soll ihre Pläne für einen NATO-Beitritt aufgeben, und sie soll vollständig auf die vier Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja verzichten - sowie auf die Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Russland hatte die Krim 2014 völkerrechtswidrig als annektiert erklärt, die anderen vier Gebiete - über die es nur teilweise die Kontrolle hat - dann 2022.
Die Ukraine müsste nach Putins Vorstellungen also auf einen erheblichen Teil ihres Staatsgebiets verzichten und lehnte die Forderungen umgehend als absurd ab.
Harris: Putin will die Kapitulation der Ukraine
Auch auf dem Gipfel in der Schweiz machten viele Vertreter klar, dass sie Putins Bedingungen für nicht akzeptabel halten. US-Vizepräsidentin Kamala Harris sagte, Putin rufe damit in Wahrheit nicht zu Verhandlungen auf, sondern zur Kapitulation der Ukraine. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte, dass ein Friedensschluss nicht die ukrainische Kapitulation bedeuten dürfe.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, den Konflikt einzufrieren, während fremde Truppen ukrainisches Land besetzen, sei nicht die Antwort. "Es ist ein Rezept für zukünftige Angriffskriege." Stattdessen müssten die Teilnehmer des Gipfels "einen umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden" für die Ukraine unterstützen. Dieser müsse auch die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen - also das völkerrechtlich anerkannte Staatsgebiet, von dem Russland derzeit etwa ein Fünftel besetzt hält.
"Geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj brachte zum Auftakt der Konferenz seine Hoffnung auf einen solchen "gerechten Frieden" zum Ausdruck. "Ich glaube, dass hier auf dem Gipfel Geschichte geschrieben wird", sagte Selenskyj in seiner Eröffnungsrede. "Wir haben es geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben." Alles, was bei diesem internationalen Treffen vereinbart werde, sei "Teil des friedensstiftenden Prozesses".
Weiter sagte Selenskyj, dass er Russland erst einen Vorschlag für eine mögliche Beendigung des Krieges vorlegen werde, wenn sich die internationale Gemeinschaft darauf geeinigt habe. "Wir müssen gemeinsam entscheiden, was ein gerechter Frieden für die Welt bedeutet und wie er dauerhaft erreicht werden kann."
Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd, die quasi Gastgeberin des Treffens auf einem Berg oberhalb von Luzern ist, sagte: "Wir werden hier auf dem Bürgenstock nicht den Frieden für die Ukraine aushandeln oder gar verkünden können." Es könne nur das Terrain für direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien bereitet werden. "Dafür sind wir hier."