Absage zum Friedensgipfel "Der Krieg ist günstig für China"
China bleibt dem Friedensgipfel zum Ukraine-Krieg demonstrativ fern. Für Experten ist das wenig verwunderlich. Die Volksrepublik sei nicht an Frieden interessiert, sondern daran, die eigene geopolitische Position zu stärken.
Die Ukraine bemüht sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs um gute Beziehungen zu China. Kritik an der Regierung in Peking äußerte sie nur zurückhaltend, obwohl China Russland dabei hilft, westliche Sanktionen zu umgehen. Die USA etwa wurden da viel deutlicher.
Kiew habe lange gehofft, dass China mäßigend auf Russland einwirkt und deshalb letztendlich auch an der Friedenskonferenz in der Schweiz teilnimmt, sagt die ukrainische Ostasien-Expertin Natalia Butyrska. "China nimmt offiziell eine neutrale Position ein und zeigt sich darauf stolz. Deshalb wäre es eigentlich logisch, dass es an der Konferenz teilnimmt."
Ukraine: China will Gipfel sprengen
Zumal China einen Vertreter habe, der in friedensbildender Mission in Europa unterwegs sei: Li Hui. "Die Absage Chinas hängt also nicht damit zusammen, dass Russland nicht zur Konferenz eingeladen ist, wie aus Peking erklärt wurde. Peking will nicht teilnehmen", erklärt Butyrska.
Li Hui ist Pekings Sondergesandter für Eurasien. Er war es auch, der am Vorbereitungstreffen zum Friedensgipfel im vergangenen August in Saudi-Arabien teilnahm. Als China Ende Mai seine Teilnahme absagte, änderte die Ukraine ihre Rhetorik fundamental. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erhob schwere Vorwürfe gegen Peking.
"Es ist eines, am Friedensgipfel nicht teilzunehmen. Aber es ist etwas anderes, den Gipfel sprengen zu wollen", sagte der Staatschef. Peking unternehme Schritte, damit andere Staats- und Regierungschefs auch nicht kommen würden. De facto unterstütze die Volksrepublik den Krieg.
China kann die Preise diktieren
Der Vorwurf lautet also: China habe Druck auf Länder des sogenannten globalen Südens ausgeübt, damit sie die Friedenskonferenz boykottieren. Peking wies das zurück. China-Experten zeigten sich allerdings nicht allzu verwundert darüber, dass Peking auf Distanz zum Treffen in der Schweiz ging.
Alexej Tschigadajew, der in Leipzig zu China forscht, meint: China gehe davon aus, was ihm nützt. Eine Teilnahme in der Schweiz bringe Peking kaum Pluspunkte im Westen. Und davon abgesehen: "Wenn wir anfangen zu rechnen, wird ziemlich klar, dass der Krieg günstig ist für China."
Russland könne sein Gas und sein Öl fast nur noch nach Indien und China verkaufen. China könne den Preis diktieren. Chinesische Produkte würden umgekehrt den russischen Markt dominieren. Die Volksrepublik könne dort Autos und Mobiltelefone verkaufen.
Anders sei dies bei der Ukraine. "Die dortigen Rüstungsbetriebe, die früher für China interessant waren, sind inzwischen entweder nationalisiert oder werden von EU-Ländern oder den USA kontrolliert", sagt Tschigadajew.
"Keine Anleitung für den Frieden"
Zudem kann China seine eigene geopolitische Position stärken, wenn es selbständig agiert. Dem dient ein sogenannter chinesischer Friedensplan. Er sieht vor, den Krieg mit dem aktuellen Frontverlauf einzufrieren. Ein Vorschlag, den die ukrainische Regierung vehement ablehnt.
Er würde Russland nur die Zeit geben, neue Kräfte für einen neuen, noch mächtigeren Angriff auf ihr Land zu sammeln, so die Befürchtung. "China ist nicht davon ausgegangen, dass sein Plan wirklich zu Frieden in der Ukraine führen könnte. Er ist keine Anleitung für den Frieden", sagt Temur Umarow von der Denkfabrik Carnegie-Zentrum in Berlin.
Peking wollte mit ihm vielmehr demonstrieren, dass es neutral sei und bei der Beilegung des Kriegs in der Ukraine eine Rolle spielen wolle. "Diese Ziele hat China auch erreicht."
Peking will eigenen Gipfel abhalten
Den Anspruch, hier die Stimme des sogenannten globalen Südens zu vertreten, bekräftigte China in den vergangenen Wochen vehement. Staatschef Xi Jinping versicherte sich im April der Unterstützung Brasiliens für seinen Plan.
Zuletzt gab das chinesische Außenministerium in Peking sogar bekannt, eine eigene Friedenskonferenz zu veranstalten. Zahlreiche Länder unterstützten diesen Vorschlag bereits, heißt es in Peking.