Kritik an US-Interview mit Putin "Einem Lügner und Mörder das Mikrofon hingehalten"
Der Kreml ist zufrieden mit dem Putin-Interview, aus dem Westen kommt Kritik. US-Talkmaster Carlson habe sich als "nützlicher Idiot" für russische Propaganda erwiesen, so die Reaktion aus Polen. Auch Kanzler Scholz fand klare Worte.
Fast zwei Jahre nach seinem Angriffsbefehl auf die Ukraine hat sich der russische Präsident Wladimir Putin erstmals in einem US-Medieninterview geäußert und länger als zwei Stunden seine Sicht auf die Weltlage dargestellt. Geführt wurde das groß angekündigte Gespräch von dem rechtsgerichteten Moderator Tucker Carlson, der als Anhänger von Verschwörungserzählungen gilt.
Der Kreml zeigte sich nach der Ausstrahlung zufrieden mit der Reichweite. In westlichen Staaten stieß das Interview hingegen auf Kritik.
"Absurde Geschichte über die Ursachen für diesen Krieg"
Bundeskanzler Olaf Scholz, der derzeit zu einem Besuch in den USA ist, sagte, Putin verhöhne in dem Interview, was es an realen Taten in der Ukraine gegeben habe. Und er erzähle eine "völlig absurde Geschichte über die Ursachen für diesen Krieg". Es gebe eine ganz klare Ursache und die sei "der Wille des russischen Präsidenten und Russlands, sich einen Teil der Ukraine einzuverleiben."
Scholz forderte Europa und die USA auf, Solidarität mit der Ukraine nicht nur zu bekunden, sondern auch durch Taten zu unterlegen. Putin zähle darauf, dass die Unterstützung für die Ukraine nachlasse. "Wenn wir klar machen, dass das eine Fehlkalkulation ist, dann ist das der beste Beitrag für eine friedliche Entwicklung", so der Bundeskanzler. Der Krieg gegen die Ukraine könne jederzeit enden - "aber nicht so, wie sich das der russische Präsident vorstellt, indem die Ukraine kapituliert. Sondern indem er den Krieg seinerseits beendet."
Keine Nachfragen des Moderators
In dem Interview bezeichnete Putin eine Niederlage seines Landes im Angriffskrieg gegen die Ukraine als "unmöglich". Putin sprach von einer angeblichen russischen Bereitschaft, mit dem Westen zu verhandeln, wenn dieser einsehe, dass er trotz seiner Unterstützung für die Ukraine den Krieg nicht gewinnen könne.
Die Schuld für den Krieg lastete er in dem Interview, das über weite Strecken einem Monolog über Geschichte glich, einmal mehr der NATO an. Von Moderator Carlson wurde das nicht hinterfragt. Putin stritt zudem ab, einen Angriff auf NATO-Länder wie Polen oder Lettland zu planen. Gleiches hatte er vor dem Angriff auf die Ukraine allerdings auch behauptet.
"Nützlicher Idiot" für die russische Propaganda
Polens Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz kommentierte Putins Aussagen zu seinem Land mit den Worten: "Nichts kann unsere Wachsamkeit einschränken, und solche Worte werden dies sicherlich nicht tun, denn sie sind nicht glaubwürdig." Der polnische Parlamentspräsident Szymon Holownia sagte, Carlson habe sich bei seinem Interview mit Putin als "nützlicher Idiot" für die russische Propaganda erwiesen. "Er hat einem Lügner, einem Mörder und internationalen Terroristen das Mikrofon hingehalten."
Ähnlich auch die Reaktion des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Dessen Sprecherin Nabila Massrali sagte, Putin habe in dem Interview "altbekannte Lügen, Verzerrungen und Manipulationen" wiederholt. Kritik übte sie auch an Moderator Carlson, der Putin "eine Plattform zur Manipulation und Verbreitung von Propaganda geboten" habe.
Kreml: Großer Wert - vor allem für Russen
Kremlsprecher Dmitri Peskow lobt das Interview. Es sei von großem Wert, dass sich viele Menschen - speziell in Russland - mit dem Interview vertraut machen können. "Putin spricht über seine Weltanschauungen und seine Sicht der Gründe für die jetzige Lage und die Perspektiven des Geschehens."
Der Kreml veröffentlichte Text und Video auf seiner Internetseite. Russische Staatsmedien berichteten über die Inhalte den ganzen Tag ausführlich und feierten Carlson als Journalisten, der die "Wahrheit" in die Welt trage.
Der US-Talkmaster war lange Zeit ein Star beim erzkonservativen Sender Fox News. Sein Aufstieg begann 2016 nach dem Wahlsieg von Donald Trump. Immer wieder wurde Carlson vorgeworfen, Falschmeldungen zu verbreiten und gegen Minderheiten zu hetzen. Von seinen Fans wird er für rassistische und sexistische Kommentare gefeiert. Im April 2023 trennte sich Fox News von ihm. Seitdem ist Carlson überwiegend im Internet präsent.