Putin-Interview "Wir haben Verhandlungen nie abgelehnt"
Erstmals seit Beginn des Ukraine-Krieges hat Russlands Präsident Putin einem US-Moderator ein Interview gewährt. Das nutzte er als willkommene Plattform und forderte etwa die Ukraine zu Gesprächen auf.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat erstmals seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine einem westlichen Medienvertreter ein ausführliches Interview gegeben. Im Gespräch mit dem US-Moderator Tucker Carlson forderte er die Vereinigten Staaten auf, die ukrainische Regierung zu Verhandlungen über ein Ende des Krieges zu bewegen.
Es sei an Washington, die Waffenlieferungen an die Ukraine, die er als "Satellit" der USA bezeichnete, einzustellen. "Wir haben Verhandlungen nie abgelehnt", sagte Putin und verwies auf die Weigerung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Gespräche mit dem Kreml zu führen. Die USA "sollten der derzeitigen ukrainischen Führung sagen, sie soll aufhören und sich an den Verhandlungstisch setzen", sagte Putin zu Carlson, einem ehemaligen Moderator des Senders Fox News.
Putin vertrat in dem Interview die Ansicht, dass es dem Westen niemals gelingen werde, Russland in der Ukraine eine "strategische Niederlage" beizubringen.
"Kein Interesse an Polen oder Lettland"
In dem Interview wies Putin Befürchtungen, wonach Russland Pläne für einen Angriff auf Polen oder andere NATO-Länder hege, zurück. Dies stehe bis auf ein Szenario "komplett außer Frage". Nur in dem Fall, wenn "Polen Russland angreift", würde er Truppen in das EU-Land schicken.
Russland habe kein Interesse an Polen, Lettland oder anderen Ländern, sagte Putin weiter. "Warum sollten wir das tun? Wir haben einfach kein Interesse." Es widerspreche dem gesunden Menschenverstand, sich auf "eine Art globalen Krieg" einzulassen. Den NATO-Staaten warf er vor, die eigene Bevölkerung mit dem Vorgaukeln einer "imaginären russischen Bedrohung" einzuschüchtern.
Putin wiederholte seine Behauptung, der russische Einmarsch in die Ukraine, den Kiew und dessen Verbündete als unprovozierten Angriffsakt bezeichneten, sei notwendig gewesen, um russischsprachige Einwohner der Ukraine zu schützen. Zudem habe er verhindern müssen, dass die Ukraine nach einem eventuellen NATO-Beitritt eine Bedrohung für Russland darstelle.
Putin zeigt sich im Fall Gershkovich "gesprächsbereit"
Auf den in Russland inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich angesprochen, schloss der Präsident eine Freilassung nicht aus. "Es macht keinen Sinn, ihn in Russland im Gefängnis zu halten." Die USA sollten darüber nachdenken, wie sie zu einer Lösung beitragen könnten, betonte der Kremlchef - und deutete die Möglichkeit eines Gefangenenaustauschs an. "Wir sind gesprächsbereit."
Er deutete an, dass er sich im Gegenzug die Freilassung eines in Deutschland inhaftierten Agenten wünscht. Putin verwies auf einen Mann, der in einem "mit den USA verbündeten Land" im Gefängnis sitze, weil dieser einen "Banditen" ausgeschaltet habe.
Putin nannte keine Namen, schien sich aber auf Vadim K. zu beziehen, einen Russen, der in Deutschland eine lebenslange Haftstrafe für den 2019 im Berliner Tiergarten begangenen Mord an einem tschetschenisch-stämmigen Georgier verbüßt. Laut Urteil handelte K. im Auftrag russischer Behörden.
Carlson von Fox News rausgeschmissen
Das Gespräch mit Russlands Präsidenten führte der rechte Talkmaster Carlson in Moskau. Die 127 Minuten lange Aufzeichnung veröffentlichte er auf der Plattform X.
Der 54-jährige Carlson ist für die Verbreitung von Verschwörungstheorien bekannt und wurde im vergangenen Jahr vom erzkonservativen US-Sender Fox News entlassen, ohne dass damals Gründe für den Rausschmiss genannt wurden. Er hatte dort jahrelang eine quotenstarke Abendsendung moderiert. Diese nutzte Carlson dazu, um Verschwörungstheorien und Falschmeldungen zu verbreiten, die Demokratische Partei zu attackieren und gegen Minderheiten zu hetzen. Kurz danach startete er eine eigene Show auf X.
Die langen Ausführungen Putins stellte Carlson in dem aktuellen Interview nicht infrage. Er sah auch davon ab, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch als solchen zu bezeichnen oder von einer Invasion zu sprechen. Kritiker hatten dies schon im Vorhinein des Gesprächs als Grund ausgemacht, warum der Kremlchef dem Amerikaner ein Interview gewährt haben dürfte.
Auf Nachfrage mahnte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, dass nichts, was in dem Interview gesagt wurde, für bare Münze zu nehmen sei. "Erinnern Sie sich daran, Sie hören Wladimir Putin zu", sagte er.