Putin-Interview Einfach ignorieren
Es hätte interessant werden können. Doch Interviewer Carlson war heillos überfordert. Und Putin hielt einen weltfremden Geschichtsmonolog. Am besten, man ignoriert das Interview einfach, meint Demian von Osten.
Es hätte eine Win-Win-Situation für beide werden können: Ein von seinem Fernsehsender rausgeworfener US-Moderator mit Hang zu Verschwörungstheorien sucht Reichweite - ein von der westlichen Welt isolierter russischer Präsident will mit der Welt sprechen. Doch das mehr als zweistündige Video könnte man mehr zusammenfassen unter dem Motto "Historisches Referat Putins mit Stichwortgeber."
Der russische Präsident Wladimir Putin kommt als manipulierender Geschichtsnerd rüber, Tucker Carlson als überforderter und unwissender Stichwortgeber. Für beide Seiten ist es eine vertane Chance.
Naive Fragerei von heillos überfordertem Interviewer
Carlson entlarvt sich in seiner naiven Fragerei mit zum Teil weit hergeholten Fragen zu Gott und der Orthodoxie in Russland als unseriöser Interviewer selbst. Bei Putins ellenlangem historischem Exkurs ist Carlson heillos überfordert. Putins Halbwahrheiten und verzerrte Narrative bleiben ohne Einordnung und ohne Widerspruch einfach so stehen.
Carlson wirkt teilweise so, als wisse er gar nicht wie ihm geschieht. Seine zweifelhafte Reputation führt mindestens in Europa dazu, dass man das Interview nicht ernst nehmen kann. Entgegen der Fakten behauptet er in einem Begleitvideo, kein westlicher Journalist bemühe sich, mit Putin zu sprechen. Das stimmt nachweislich nicht. Selbst der Kreml musste das zugeben. Reichweite dürfte er trotzdem bekommen - aber zu welchem Preis?
Putins Geschichtsmonolog dürfte eher abschrecken
Doch auch Putin hat wenig aus der Chance gemacht, Botschaften im Westen zu platzieren. Sein fast einstündiger Geschichtsmonolog dürfte viele Nutzer abschrecken, das Video bis zum Ende weiter zu gucken. Wer will sich schon mit der mittelalterlichen Geschichte auf dem Territorium der Ukraine im Detail beschäftigen?
Putin wirkt wie ein weltfremder Staatenlenker, der sich in seinem historischen Narrativ verrannt hat - ohne Interesse für das Wohlergehen der Menschen in der Ukraine und in Russland. Einmal mehr wird klar, dass Putin nur an einer historischen Mission interessiert ist.
Am besten einfach ignorieren
Seine Botschaften sind nicht neu: Gas nach Deutschland könnte wieder fließen, nur Deutschland wolle das nicht. Der Krieg könnte innerhalb von Wochen enden, wenn der Westen keine Waffen mehr liefern sollte. Russland wolle nur einen Krieg beenden, den die Ukraine begonnen habe. Alles Sätze, wo ein kundiger Moderator eingegriffen hätte. Doch Carlson saß nur da und staunte.
Für Carlson wäre es gut gewesen, sich besser auf das Interview vorzubereiten und kritische Fragen etwa zu Kriegsverbrechen, zerbombten Städten, Hunderttausenden Toten, gefallenen russischen Soldaten oder Wirtschaftssanktionen nicht einfach auszulassen. Putin hätte aus seiner Sicht gut daran getan, das Interview nicht wie so oft zuvor als Pseudo-Geschichtsstunde zu nutzen. Neue Impulse kamen vom russischen Präsidenten keine. An sämtliche getätigten Aussagen von ihm muss man sowieso ein großes Fragezeichen setzen.
Über zwei Stunden Interview, das für den normalen Zuschauer eine Zumutung ist und doch nichts Neues bringt. Das Beste, was man tun kann, ist es einfach zu ignorieren.
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