Nach Puigdemont-Kurzauftritt Polizei räumt Fehler ein - Sánchez unter Druck
Der Separatist Puigdemont bringt in Spanien gerade mehrere in Bedrängnis: Regierungschef Sánchez könnte Unterstützung verlieren. Und die Polizei muss erklären, weshalb sie den mit Haftbefehl gesuchten Katalanen nicht fassen konnte.
Die Polizei in Spanien fahndet weiter nach dem katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont. Der Darstellung seiner Partei und seines Anwalts, wonach Puigdemont bereits nicht mehr im Land ist, glaubt der Chef der katalanischen Polizei Mossos d’Esquadra, Eduard Sallent, nicht.
Bei einer Pressekonferenz räumte Sallent zugleich Versäumnisse ein. Der mit Haftbefehl gesuchte Puigdemont konnte gestern in der katalanischen Regionalhauptstadt Barcelona vor Tausenden Anhängern öffentlich auftreten - unbehelligt von der Polizei. Polizeichef Sallent sagte, wichtigste Ziele seien die Wahrung der öffentlichen Ordnung und die Absicherung der Neuwahl eines katalanischen Ministerpräsidenten im Parlament in Barcelona gewesen. Diese Aufgaben seien erfüllt worden. Warum die Festnahme Puigdemonts nicht gelungen sei, müsse noch eingehender analysiert werden.
Neben der katalanischen Polizei steht aber auch die spanische Grenzpolizei in der Kritik. Der Richter am Obersten Gericht, Pablo Llarena, forderte vom Innenministerium in Madrid Auskunft darüber, wie Puigdemont dem Grenzschutz entgehen konnte.
Sallent räumte während der Pressekonferenz Fehler ein. Alles sei sehr schnell gegangen und Sicherheit habe oberste Priorität gehabt.
"Dies erschien uns der günstigste Ort für eine Festnahme"
Sallent bestätige, dass die Polizei bei ihren Planungen davon ausgegangen sei, dass sich Puigdemont - wie von ihm wiederholt angekündigt - am Donnerstag direkt zum Parlament begeben würde. Deshalb seien dort entsprechende Polizeikräfte stationiert worden. "Dies erschien uns der günstigste Ort für eine Festnahme", sagte Sallent.
Tatsächlich hielt Puigdemont eine kurze Rede auf eine Bühne vor dem Triumpfbogen Arc de Triomf, der nur wenige Hundert Meter vom Parlament entfernt liegt. Seine Anhänger zogen dann zum Parlament, Puigdemont aber nicht. Er war von Helfern hinter der Bühne zu einem Fahrzeug gebracht und weggefahren worden.
"Es ging alles sehr schnell und unsere Beamten konnten wegen einer Mauer von Menschen nicht eingreifen", sagte Sallent. Puigdemont sei bei seinem kurzen Auftritt auch von Vertretern des Staates, des Parlaments und vielen Anhängern begleitet worden, was einen Zugriff zusätzlich erschwert habe. Zudem hätten zwei Polizisten Puigdemont geholfen, die später festgenommen worden seien.
Junts-Partei will Zusammenarbeit mit Sánchez überdenken
Auch der Druck auf den spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez wächst. Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo forderte Sánchez auf, seinen Sommerurlaub abzubrechen und zu erklären, warum der mit Haftbefehl gesuchte Puigdemont trotz großen Polizeiaufgebots eine Rede halten konnte.
Und Puigdemonts Junts-Partei kündigte an, die Zusammenarbeit mit der Minderheitsregierung von Sánchez neu zu bewerten. Auf deren Stimmen ist der Ministerpräsident aber angewiesen, um im Madrider Nationalparlament auf eine Mehrheit zu kommen. Bislang haben die sieben Junts-Abgeordneten die Sánchez-Regierung toleriert.
Haftbefehl trotz Amnestiegesetzes
Puigdemont war früher Regionalpräsident von Katalonien, der wirtschaftlich starken Region im Nordosten Spaniens. Und er spielte eine maßgebliche Rolle bei einem Unabhängigkeitsreferendum, das trotz des Verbots durch die spanische Zentralregierung im Oktober 2017 abgehalten wurde. Einer Verhaftung entzog er sich damals durch eine Flucht nach Belgien, wo er seitdem die meiste Zeit lebt.
Als Bedingung für die Unterstützung von Junts im Madrider Parlament hatte Sánchez einst das Amnestiegesetz durchgesetzt, durch das Gerichtsverfahren gegen Hunderte Separatisten eingestellt werden. Davon sollte auch Puigdemont profitieren. Der Oberste Gerichtshof Spaniens entschied jedoch, dass nicht alle Vorwürfe gegen Puigdemont durch das Amnestiegesetz aufgehoben seien.
Ihm wird auch vorgeworfen, sich persönlich bereichert zu haben. Im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum soll er öffentliche Gelder zu seinem eigenen Vorteil unterschlagen zu haben, indem er seine illegalen politischen Ziele mit öffentlichen Geldern finanzierte, statt sie aus eigener Tasche zu bezahlen. Deshalb besteht trotz der Amnestie weiter ein Haftbefehl gegen Puigdemont.