Polnische Grenzkontrollen "Jetzt sind Jobs in der Ukraine bedroht"
Zwölf Tage Wartezeit oder mehr müssen Lkw-Fahrer einplanen, wenn sie Waren aus der Ukraine über Polen in die EU transportieren wollen. Der Grund: verschärfte polnische Grenzkontrollen. Manche vermuten ein Kalkül.
Kabelbäume, Kabeläste, Kabelstränge - Markus Kollau beschreibt ganze Kabelberge, die sein Unternehmen in der Ukraine produziert und die dringend durch Polen nach Deutschland gebracht werden müssten.
Kollau ist kaufmännischer Leiter bei Kromberg und Schubert. Das Unternehmen aus Baden-Württemberg beschäftigt 8.000 Mitarbeiter in der Ukraine, die Kabel für deutsche Autohersteller produzieren - für etwa 3.000 Autos pro Tag.
Das Problem: An der Grenze zu Polen bleiben die Lieferungen hängen. Er sei nicht sicher, ob man weiter in der Ukraine produzieren könne, sagt Kollau: "Jetzt sind die Jobs in der Ukraine bedroht - aber nicht durch den Krieg, sondern durch die Wartezeiten für Fracht-Lkw an der EU-Grenze, die mittlerweile zwölf Tage oder länger betragen."
Zwölf Tage Wartezeit an der Grenze
Seit Oktober seien die Wartezeiten an der Grenze zu Polen kontinuierlich angestiegen - von ursprünglich zwei bis fünf Tagen auf jetzt oft elf oder zwölf. Verantwortlich sei die polnische Seite, sagt Kollau. Trotz des Andrangs hätten die polnischen Behörden kein zusätzliches Personal bereitgestellt. Teilweise werde jetzt sogar weniger abgefertigt als zuvor.
Tatsächlich sind die Kontrollen an der ukrainisch-polnischen Grenze verschärft worden. Nicht wegen der Kabel, sondern wegen Getreide und Mais. Im Frühjahr hatten polnische Bauern gegen die ukrainische Konkurrenz protestiert. Polen hatte die EU zu einem Einfuhrstopp gedrängt und führt ihn inzwischen im Alleingang fort: Import nein, Transit nach Westen ja. Die Folge: viele und langwierige Kontrollen, die sich nur mit Tricks verkürzen lassen.
Polens Verkehrsministerium äußert sich nicht
"Was wir jetzt machen, aber das kann man auch nicht ewig so weitertreiben, ist, dass wir von den großen Lkw, mit denen wir normalerweise fahren, die Waren umladen in Sprinter, die in einer anderen Warteschlange warten", sagt Kollau. Die müssten nicht so lange warten, und so bekomme die Ware dann trotzdem noch in die EU. Nur sei das teuer, denn für eine Lkw-Ladung braucht man etwa 20 Kleinstransporter, sagt Kollau.
Anfragen an das polnische Verkehrsministerium, ob der Grenzverkehr, wie auch von anderen Unternehmern beklagt, vielleicht sogar absichtlich verzögert wird, bleiben unbeantwortet.
Polnische Lkw-Fahrer streiken
Seit Anfang der Woche streiken zudem polnische Lkw-Fahrer - inklusive Blockade an einzelnen Grenzübergängen. Sie werfen wiederum der ukrainischen Seite vor, sie bei der Abfertigung an der Grenze zu benachteiligen und für lange Wartezeiten zu sorgen. Stattdessen hätten ukrainische Lkw-Fahrer seit Kriegsbeginn erleichterten Zugang nach Polen, ohne die vorher notwendigen Transportgenehmigungen. Jetzt machten sie den polnischen Unternehmen Konkurrenz, sagt Spediteur Tomasz Borkowski:
2021, vor dem Ausbruch des Krieges, hat Polen 160.000 Genehmigungen für ukrainische Firmen erteilt. In diesem Jahr nur bis September haben ukrainische Firmen bereits über 880.000 Fahrten über die polnische Grenze gemacht. [...] Wir wollen unseren Markt verteidigen, wir wollen, dass die Transportgenehmigungen wieder eingeführt werden.
Gegenseitige Vorwürfe
Nur: Verantwortlich sein will niemand. Kiew verweist auf Warschau, Warschau auf die EU. Wer auch immer den Streit löst, sagt Kollau, es müsse schnell gehen. Denn wenn die Ware nicht über die Grenze aus der Ukraine in die EU komme, dann würden bald auch Automobilwerke in Deutschland stillstehen.