Streit um öffentlichen Rundfunk Polens Präsident wirft Regierung "Anarchie" vor
Polens neue Regierung will Schluss mit der Propaganda der alten PiS-Führung machen - deshalb greift Regierungschef Tusk bei den öffentlich-rechtlichen Medien durch. Präsident Duda nennt dieses Vorgehen "Anarchie".
In Polen dauert der politische Konflikt um die öffentlichen Medien an. Nach dem Auswechseln von deren Führungsriege durch die neue Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk protestierten Politiker der abgewählten nationalkonservativen Partei PiS weiter im Gebäude des Fernsehsender TVP.
Präsident Andrzej Duda, der der PiS angehört, nannte das Vorgehen der Regierung "völlig unrechtmäßig" und eine Verletzung der Verfassung. Wer andere Regeln für die Leitung der Medien wolle, müsse zuerst das entsprechende Gesetz ändern, sagte Duda dem Radiosender Zet. "Es ist Anarchie, das geltende Recht zu umgehen", sagte er.
Tusks Kanzleichef Jan Grabiec versuchte inzwischen, die Gemüter zu beruhigen. Er rief die PiS-Abgeordneten dazu auf, ihr "aggressives Verhalten" einzustellen. Es habe schon ein erstes Gespräch zwischen Tusk und Duda über die Zukunft der Medien gegeben, sagte er. "Die Regierung beabsichtigt, ihre Arbeit an der neuen Ordnung der öffentlichen Medien offen zu gestalten", sagte Grabiec nach Angaben des Portals Onet.pl. Die Stimme des Präsidenten werde wichtig sein.
Führung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entlassen
Der Konflikt um die Medien ist der schwerste zwischen der neuen Regierung, die bei der Wahl im Oktober ihre Mehrheit erhielt, und der früheren PiS-Staatsmacht. Duda ist deren letzter ranghoher Vertreter.
Am Mittwoch hatte Kulturminister Bartlomiej Sienkiewicz mit einem Schlag die gesamte Führung der Öffentlich-Rechtlichen entlassen. Das betraf die Vorstandschefs und die Aufsichtsräte des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP.
Vorwurf der Staatspropaganda
Die Regierung Tusk wirft den Medien vor, sie hätten in den vergangenen acht Jahren unter der PiS-Regierung Parteipropaganda verbreitet. Auch internationale Organisationen hatten die einseitige Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien in Polen kritisiert.
Die PiS-Führung um Jaroslaw Kaczynski protestierte, sprach von einem Staatsstreich und einem Anschlag auf Demokratie und Pressefreiheit. Kundgebungen vor der Fernsehzentrale fanden am Mittwoch aber keinen großen Zulauf. Einige PiS-Vertreter harrten im Gebäude von TVP auch über Nacht aus. Der normale Nachrichtenbetrieb sollte am Donnerstagabend unter neuer Ägide wiederaufgenommen werden.
Medienwissenschaftler warnt neue Regierung
Aus anderen Medien kam die Aufforderung an die Regierung, dass der öffentliche Rundfunk tatsächlich unabhängig gemacht werden müsse. "Die PiS ist ihres Einflusses auf TVP beraubt worden. Es war kein öffentliches Fernsehen, sondern das Fernsehen von Jaroslaw Kaczynski, der es wie sein Eigentum behandelte", schrieb die liberale Zeitung "Gazeta Wyborcza". Wichtiger sei etwas anderes, nämlich "wie sich die neue Regierung die öffentlichen Medien vorstellt". Hierfür werde sie ernsthaft zur Rechenschaft gezogen.
TVP sei nie unabhängig gewesen wie die BBC als öffentlich-rechtliche Anstalt, sagte der Medienwissenschaftler Krzysztof Grzegorzewski von der Universität Lodz. Unter der PiS sei TVP eher dem russischen Staatsender RT (Russia Today) vergleichbar gewesen. "Aber auch die neue Regierung spricht nicht vom Aufbau einer neuen BBC", warnte er.