Nachrichtenmedien in Polen Wenn ein Ölkonzern Zeitungen kauft
Sind an Polens Kiosken bald nur noch PiS-nahe Medien zu haben? Auf einen Schlag hat der teilstaatliche Orlen-Konzern Zeitungen aufgekauft und die Chefredakteure ausgetauscht. Ein gerichtlicher Einspruch verhallt
Dass ein Mineralölkonzern Zeitungen aufkauft, sei schon ein merkwürdiger Vorgang, sagte Marek Twaróg. Aber es sei nicht zwangsläufig eine Katastrophe, so der Chefredakteur der Zeitung "Dziennik Zachodni". "Alles hängt jetzt davon ab, wie sich der neue Besitzer verhalten wird und wie er zu unserer journalistischen Unabhängigkeit steht." Seine Pflicht sei es, dass "Dziennik Zachodni" unter seiner Leitung kein Sprachrohr irgendeiner Partei werde - "und ich erfülle sie mit voller Überzeugung", sagte er. Zwei Monate später ist Marek Twarog gekündigt und ersetzt durch einen Redakteur, der bis dahin für den regierungsnahen Fernsehsender TVP3 gearbeitet hat.
"Repolonisierung" nennt die nationalkonservative Regierungspartei PiS ihre Strategie. Nachdem sie schon bald nach dem Wahlsieg 2015 in den öffentlich-rechtlichen Medien die Führungsriegen ausgetauscht und die Sender inhaltlich auf Linie gebracht hatte, griff sie Ende 2020 nach den privaten Zeitungen - indirekt: Nicht die Regierung wurde aktiv, sondern der teilstaatliche Ölkonzern Orlen kaufte ein Paket aus Regionalzeitungen und Onlineplattformen von der deutschen Verlagsgruppe Passau - Redaktionen mit einer Gesamtreichweite von über 17 Millionen Lesern.
Ein Kiosk, der zur Ruch-Kette gehört - und damit mittlerweile zum Orlen-Konzern (Archivbild von 2019).
Drei Entlassungen an einem Tag
Jetzt hat der Konzern auf einen Schlag die Chefredakteure von drei seiner Zeitungen ausgetauscht. Mit journalistischer Qualität könne dieser Schritt nicht erklärt werden, findet Pawel Buczkowski, der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung "Dziennik Wschodni", die nicht zu Orlen gehört:
Drei Personen an einem Tag - und es sieht so aus, als ob weitere Entlassungen in polnischen Regionalzeitungen zu erwarten sind. Das zeugt meiner Meinung nach davon, dass es dabei nicht sachlich darum ging, wie die Zeitungen gearbeitet haben.
Zumal nach 15 Jahren Dienst auch der Chefredakteur einer Zeitung im südpolnischen Rzeszow ausgetauscht wurde - dort, wo Mitte Juni Kommunalwahlen anstehen und die Kandidatin der Regierungspartei in Umfragen weit abgeschlagen zurückliegt.
"Einen Monat vor den Wahlen wird der Chefredakteur der größten regionalen Zeitung ausgewechselt. Wie wissen nicht, wie sich das auf die Wahlkampfberichterstattung und die Wahlen auswirken wird" , sagt Buczkowski dazu.
Platz 64 auf dem Pressefreiheit-Index
Dabei hatte ein Warschauer Gericht erst im April die Übernahme der Zeitungen durch Orlen gestoppt. Aus kartellrechtlichen Gründen müsse der Verkauf nochmal überprüft werden, hieß es. Das sei kein Hindernis, erklärte nach dem Urteil der Orlen-Vorstandsvorsitzende Daniel Obajtek: "Man kann nichts stoppen, was rechtmäßig bereits durchgeführt wurde. Wir haben Anteile an Polska Press gemäß polnischem Recht gekauft." Nun sei Orlen auch der rechtmäßige Besitzer.
Trotzdem hatte er Mitte April vor Gewerkschaftvertretern angekündigt, es werde weder Kündigungen noch Einmischungen in die inhaltliche Arbeit geben. Zwei Wochen später war dieses Versprechen schon nichts mehr wert.
PiS-Kritiker fürchten jetzt, die Pressefreiheit in Polen werde weiter demontiert, zumal der Ölkonzern mit der Kioskkette "Ruch" bereits eine eigene Vertriebsstruktur für Zeitungen besitzt. Im Pressefreiheitsranking von "Reporter ohne Grenzen" ist Polen erst vor wenigen Wochen auf Platz 64 abgerutscht.