Ein Jahr nach Wiederwahl Macron trifft den Ton nicht mehr
Frankreichs Präsident Macron tourt durch sein Land - ein Versuch, mit den Bürgern nach dem Streit um die Rentenreform ins Gespräch zu kommen. Doch hört Macron überhaupt noch zu? Viele Franzosen bezweifeln das.
Der Ton macht die Musik, auch in der Politik. In der Kommunikation zwischen Emmanuel Macron und den Menschen in Frankreich ist dieser Ton gerade ziemlich schrill.
In Sélestat im Elsass wird der Präsident mit Kochtopf-Konzerten und Buhrufen empfangen. Wenige Tage nach seiner Fernsehansprache vom vergangenen Montag ist Macron auf Tour gegangen; will zeigen, dass er der Wut nicht aus dem Weg geht.
Von Demut allerdings keine Spur - verbal setzt Macron sogar noch einen drauf: "Auf Kochtöpfe zu schlagen, bringt das Land nicht weiter! Aber wir könnten ja mal was für die Kochtopf-Industrie tun, denn die produziert auch zu wenig!"
Auch während der TV-Ansprache von Macron zu Rentenreform wurde der Protest gegen den Präsidenten sehr laut - und so wird er auch vielerorts auf seiner Reise durchs Land empfangen.
Das Feuer wird weiter angefacht
Spitze Bemerkungen und ironische Kommentare: Der Präsident will besänftigen und demonstrieren, dass er zuhört. Aber er provoziert letzten Endes nur weiter.
Krach und Kochtöpfe seien für ihn keine Argumente, sagt Macron. Was bei vielen Menschen ankommt, ist, dass er sie einfach nicht ernst nimmt. Der Präsident und die Franzosen reden einfach aneinander vorbei. Macron behauptet von sich, er sei immer bereit, die Opposition anzuhören, er wolle möchte überzeugen:
Aber man kann nur diejenigen überzeugen, die auch zuhören. Wenn die Leute kommen, um nicht zuzuhören, dann muss man sie einen Moment nicht zuhören lassen und dann weitermachen.
Alles Extremisten
Aus vielen Äußerungen Macrons kann man lesen, dass er die Proteste als eine Art Episode sieht, die er einfach aussitzen muss.
Obwohl er in seiner Fernsehansprache vor einer Woche eingeräumt hatte, auch er könne sich nicht "taub stellen gegenüber den Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Auch nicht denen nach einer Erneuerung unserer Demokratie, was vor allem die Jugend fordert". Die Antwort könne aber weder Stillstand noch Extremismus sein.
Nach Macrons Verständnis sind aber offenbar schon diejenigen "extrem", die in der Auseinandersetzung um die Rentenreform nicht mehr nur eine soziale Krise sehen, sondern eine demokratische Krise.
Der Präsident und die Regierung haben alles ausgereizt, was die Verfassung hergibt, um die Reform nach dem parlamentarischen Prozess durchzusetzen. Rechtlich ist das ohne Frage möglich, aus Sicht vieler Menschen ist es aber demokratisch fragwürdig.
Zunehmend im "Basta"-Tonfall
Macron wischt dieses Argument mit barschen Worten beiseite. Das Argument kenne man doch, es sei "das Argument der politischen Extreme". Einige hätten wohl noch nicht überwunden, dass sie die Präsidentschaftswahl verloren haben.
Und diejenigen, die gegen ihn mit Topfschlagen protestieren, belehrte er mit dem Hinweis, zu einer Demokratie gehöre nun mal, "ein Projekt zu haben, darüber offen zu sprechen und es dann umzusetzen".
Bei Kritik am Projekt "Rentenreform" reagiert Macron auch öfter im bissigen "Basta"-Tonfall. In einem Fernseh-Interview Ende März betonte er, es solle doch niemand glauben, diese Reform mache ihm Spaß. Vielleicht hätte er die Probleme "unter den Teppich kehren können, so wie viele meiner Vorgänger". Es gebe aber keine Möglichkeit, das Rentensystem finanziell auszugleichen, deshalb sei diese Reform notwendig.
Eine Mehrheit hält ihn für "autoritär"
Macrons Vorgehen bei der Rentenreform und der Tonfall vieler Aussagen haben Folgen. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Ifop empfinden knapp 70 Prozent der Befragten Macron als "autoritär", nur 17 Prozent sind der Meinung, dass er die Menschen hinter sich versammeln kann.
Mit seiner Tour durchs Land versucht Macron, dieses Bild zu korrigieren. Dass ihm das im Moment nur schwer gelingt, liegt auch daran, wie er mit den Menschen redet.
Der Ton macht die Musik. Und diesen Ton trifft der Präsident im Moment einfach nicht.