Rentenreform in Frankreich Verfassungsrat billigt Kernpunkte der Reform
Der französische Verfassungsrat hat grundsätzlich grünes Licht für die umstrittene Rentenreform von Präsident Macron gegeben. So kann etwa das Renteneinstiegsalter von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Eine Volksabstimmung wird nicht stattfinden.
Der französische Verfassungsrat hat die Kernpunkte der umstrittenen Rentenreform gebilligt. Die obersten Verfassungshüter erteilten in einer am frühen Abend veröffentlichten Erklärung unter anderem dem wichtigsten Reformvorhaben der Regierung von Präsident Emmanuel Macron, der Anhebung des Renteneinstiegsalters von 62 auf 64 Jahre, ihre Zustimmung.
Andere Punkte des Reformprojekts wurden zurückgewiesen, etwa ein Senioren-Index für Betriebe oder ein spezieller Seniorenarbeitsvertrag, der vorsieht, dass Unternehmen älteren Beschäftigten zwingend einen unbefristeten Vertrag anbieten müssen.
Zudem verwarf der Rat eine von der Opposition angestrengte Volksabstimmung. Das Linksbündnis NUPES hatte versucht, mittels eines Referendums das gesetzliche Renteneintrittsalter auf 62 Jahre zu begrenzen.
Ein zweifelhafter Sieg für Macron
Als glänzender Sieger steht Macron trotz des Erfolgs nicht da. Der Präsident und seine Mitte-Regierung sind gebeutelt von dem zähen Kampf um die Reform. Premierministerin Élisabeth Borne schrieb zurückhaltend: "Heute Abend gibt es weder Sieger noch Besiegte."
Bourne hatte Mitte Februar dieses Jahres die Rentenreform mit einem verfassungsrechtlichen Kniff ohne eine Abstimmung im Parlament durchgepeitscht und ein Misstrauensvotum nur knapp überstanden.
Die Opposition gibt sich kämpferisch
Macron will nun möglichst bald ein neues Kapitel aufschlagen - allerdings könnten ihm neue Proteste einen Strich durch die Rechnung machen. Niemand erwartet, dass sich die Gegner der Reform schnell geschlagen geben. Weder auf der Straße noch im Parlament: Die rechtsnationale Marine Le Pen erklärte, das politische Schicksal der Reform sei noch nicht in Stein gemeißelt. Der Linke Jean-Luc Mélenchon schrieb: "Der Kampf muss weitergehen."
Mäßigend äußerte sich Éric Ciotti. Der Parteichef der konservativen Republikaner rief dazu auf, die Entscheidung des Verfassungsrats zu akzeptieren.
Mehrheit der Franzosen lehnt Rentengesetz ab
Meinungsumfragen zufolge lehnt die große Mehrheit der Franzosen das Rentengesetz ab. Seit Monaten kommt es zu Streiks und Großdemonstrationen gegen das Vorhaben.
Nach der Entscheidung des Verfassungsrats ist mit weiteren Protesten in Frankreich zu rechnen. Der Verfassungsrat war zuvor hermetisch abgeriegelt worden, Metrostationen in der Nähe wurden geschlossen. In Paris hatten Demonstranten auf dem Rathaus-Vorplatz - hier regiert mit Sozialisten und Grünen die Opposition - die Entscheidung abgewartet. Landesweit waren für den Abend 230 Manifestationen angemeldet worden.
Macron will Gewerkschaftsvertreter treffen
Macron hat bereits angekündigt, nach der Entscheidung des Verfassungsrats erneut den Kontakt zu den Gewerkschaften zu suchen. Noch vor dem Urteil lud er Gewerkschaftsvertreter für Dienstag zu einem Treffen ein, wie sein Büro mitteilte.
"Die Türen des Élysée-Palasts werden für diesen Dialog offen bleiben, ohne Bedingung", hieß es. Im März hatte Macron Gewerkschaften eine solche Zusammenkunft noch verweigert.
Loch in Rentenkasse soll vermieden werden
Macron und die Mitte-Regierung wollen mit der Reform ein drohendes Loch in der Rentenkasse verhindern. Die Einzahldauer für eine volle Rente soll schneller steigen.
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - und das soll so bleiben.
Conseil Constitutionnel: Oberste Verfassungsinstanz
Der 1958 gegründete französische Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) ist der oberste Hüter der französischen Verfassung. Dabei gleicht das Gremium mehr einem Rat der Weisen als dem deutschen Verfassungsgericht.
Denn die neun Mitglieder - zumeist frühere Politiker - werden zum einen direkt von politischen Institutionen nominiert: drei vom Präsidenten der Republik, drei vom Präsidenten der Nationalversammlung, drei vom Präsidenten des Senates. Und zum anderen müssen sie nicht zwingend die Befähigung zum Richteramt haben.