Rentenreform in Frankreich Diese Rolle spielt der Verfassungsrat
Heute Abend entscheidet Frankreichs Verfassungsrat, ob Präsident Macron seine umstrittene Rentenreform durchziehen kann. Aber wie setzt sich das Gremium zusammen und welcher Ausgang ist denkbar?
Wie setzt sich der Verfassungsrat zusammen?
Der 1958 gegründete französische Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) ist zwar der oberste Hüter der französischen Verfassung, aber das Gremium gleicht mehr einem Rat der Weisen als dem deutschen Verfassungsgericht.
Denn die neun Mitglieder werden zum einen direkt von politischen Institutionen nominiert: drei vom Präsidenten der Republik, drei vom Präsidenten der Nationalversammlung, drei vom Präsidenten des Senates. Und zum anderen müssen sie nicht zwingend die Befähigung zum Richteramt haben.
So sitzen im aktuellen Verfassungsrat ehemalige Politiker, wie der Sozialist Laurent Fabius oder der Konservative Alain Juppé. Beide sind weit über 70 und langjährige Vollzeit-Politiker. Beide waren einmal Premierminister und Chefs wichtiger Ministerien.
Wie arbeitet das Gremium?
Zwar sind die Mitglieder des Conseil Constitutionnel gehalten, ihre politischen Präferenzen außen vor zu lassen. Aber Kritiker beklagen, dass Interessenkonflikte programmiert seien. In der Regel gibt es für jedes dem Rat vorgelegte Gesetz einen Berichterstatter; im Falle der Rentenreform sind es zwei.
Sie studieren den Gesetzestext, schlagen dem Rest des Gremiums eine Entscheidung vor; diese wird debattiert und spätestens vier Wochen nach Anrufung muss der Verfassungsrat eine Entscheidung vorlegen.
Wie könnte der Rat über die Rentenreform entscheiden?
Drei mögliche Szenarien sind heute denkbar. Erstens: Der Verfassungsrat winkt die Reform so durch wie sie ist. Dann muss der Präsident das Gesetz unterzeichnen und die Reform könnte wie geplant in Kraft treten.
Zweitens: Der Verfassungsrat erklärt die Reform im Ganzen für verfassungswidrig. Etwa, weil die Regierung die Rentenreform als Finanzgesetz zur Sicherung der Sozialsysteme eingebracht hat, obwohl es sich doch um eine tiefgreifende Sozialreform handelt. Oder weil sie mehrere Artikel angewandt hat, um die Debatte in der Nationalversammlung und im Senat zu verkürzen. In diesem Falle wäre das Projekt von Staatschef Emmanuel Macron gescheitert. Die Regierung müsste den ganzen Prozess neu starten und einen anderen parlamentarischen Weg wählen.
Am wahrscheinlichsten ist aber die dritte Variante, und zwar, dass die neun Weisen des Verfassungsrats das Gesetz nur teilweise für rechtswidrig erklären. Zum Beispiel den Teil, der vorsieht, dass Unternehmen älteren Beschäftigten zwingend einen unbefristeten Vertrag anbieten müssen. Diese Maßnahme, so ein mögliches Argument, passt nicht in ein Finanzgesetz zur Sicherung der Sozialsysteme. In diesem Fall müsste die Regierung Korrekturen vornehmen bevor sie das Gesetz in Kraft treten lassen kann.
Welche Rolle spielt dabei ein mögliches Referendum?
Zusätzlich zu der Entscheidung über die Rentenreform werden die Richter und Richterinnen auch verkünden, ob sie dem Antrag des Linksbündnisses NUPES stattgeben, ein Referendum in Gang zu bringen. Es sieht vor, das gesetzliche Renteneintrittsalter auf 62 Jahre zu begrenzen.
Wenn die Verfassungsrichter dieses Referendum zulassen, könnte das Gesetz zwar dennoch erstmal in Kraft treten. Aber die Initiatoren hätten neun Monate Zeit, um rund fünf Millionen Unterschriften zu sammeln. Danach hätte das Parlament noch einmal ein halbes Jahr Zeit, um das Vorhaben zu prüfen; danach würde abgestimmt. Sollten die Richter und Richterinnen also dem Antrag auf ein Referendum heute stattgeben, wäre das Land möglicherweise noch monatelang mit der Rentenreform beschäftigt.