Streiks in Frankreich Proteste gegen Rentenreform reißen nicht ab
Gesperrte Straßen, blockierte Hochschulen: In Frankreich haben erneut Hunderttausende gegen die geplante Rentenreform demonstriert. Allerdings weniger stark als an den vorherigen Protesttagen.
Am elften Protesttag in Frankreich gegen die Rentenreform haben sich weniger Menschen als zuvor beteiligt. Nach Angaben der Behörden gingen etwa 570.000 Menschen auf die Straße, um gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre zu demonstrieren. In der vergangenen Woche waren es nach Angaben des Innenministeriums 740.000. Die Gewerkschaften sprachen von knapp zwei Millionen Teilnehmern.
Straßenblockaden und Ausschreitungen
Am Vormittag errichteten Demonstranten mehrere Straßenblockaden in der Nähe von Lyon, Rennes und Brest. In mehreren Universitäten und Gymnasien gab es Protestaktionen. Auch der Bahnverkehr war erneut beeinträchtigt, allerdings weniger stark als an den vorherigen Protesttagen.
Am Nachmittag kam es erneut zu Ausschreitungen am Rande der Demonstrationen in Paris und anderen Orten. In der Nähe des Pariser Restaurants "La Rotonde", in dem Präsident Emmanuel Macron 2017 seinen Wahlsieg gefeiert hatte, gerieten radikale Demonstranten und Sicherheitskräfte aneinander. Mehrere schwarz gekleidete Demonstranten bewarfen die Polizei mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein.
Demonstrierende dringen in Firmengelände ein
Noch bevor der Demonstrationszug in Paris startete, drangen Gegner der Rentenreform in ein Firmengebäude ein. Auf Videos war zu sehen, wie sie bengalische Feuer zündeten und Sprechchöre sangen. "Es braucht Geld, um unser Rentensystem zu finanzieren. Hier gibt es welches", rief ein Sprecher der Eisenbahner-Gewerkschaft CGT Cheminots der Zeitung "Le Parisien" zufolge ins Megafon. "Anstatt zwei Lebensjahre von den Arbeitnehmern zu nehmen, sollte Macron es hier suchen."
In dem Gebäude sitzt auch der US-Vermögensverwalter Blackrock. In Macrons erster Amtszeit war Blackrock während der Streiks und Proteste gegen die damals geplante Rentenreform zu einer Art Feindbild geworden. Bei den aktuellen Protesten hat Blackrock bisher hingegen keine Rolle gespielt.
Reform soll drohendes Loch in der Rentenkasse stopfen
Die umstrittene Rentenreform Macrons ist mittlerweile beschlossen. Er und die Mitte-Regierung wollen damit ein Loch in der Rentenkasse verhindern. Die Gewerkschaften und große Teile der Opposition lehnen die Reform als unfair ab.
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen.
Macron, der derzeit auf Staatsbesuch in China ist, ließ über sein Umfeld verbreiten, dass er zu der Reform stehe und dass das Land sich nicht in einer demokratischen Krise befinde. Diesen Vorwurf hatte Gewerkschaftschef Laurent Berger gestern erhoben.
Die Reform ist allerdings noch nicht in Kraft getreten. Dies soll Macrons Plänen zufolge bis Ende des Jahres geschehen. Derzeit wird das Vorhaben vom Verfassungsrat geprüft. Abgeordnete, Senatoren und auch Premierministerin Elisabeth Borne hatte die Instanz angerufen, um den Text unter die Lupe zu nehmen.
Der Verfassungsrat kann die Reform in Teilen oder vollständig kippen oder für verfassungskonform erklären. Ende nächster Woche will er seine Entscheidung bekannt geben.