Krieg in der Ukraine Russland schießt Raketen auf Kiew
Am zweiten Tag der russischen Invasion steht Kiew nach ukrainischen Angaben unter Raketenbeschuss. Ein Flugzeug sei abgeschossen worden. Auch im Süden der Ukraine wurden Raketenangriffe gemeldet.
An Tag zwei des russischen Angriffs meldet die Ukraine Raketenbeschuss auf die Hauptstadt Kiew. Unter anderem wurde ein mehrstöckiges Wohnhaus getroffen, wie die Stadtverwaltung mitteilte. "Schreckliche russische Raketenangriffe auf Kiew", twitterte Außenminister Dmytro Kuleba. "Das letzte Mal, dass unsere Hauptstadt so etwas erlebt hat, war 1941, als sie von Nazi-Deutschland angegriffen wurde." Doch die militärische Lage blieb unübersichtlich.
Ukrainische Truppen liefern sich nach Angaben des Generalstabs heftige Gefechte mit russischen Angreifern im Kiewer Gebiet. In Iwankiw rund 80 Kilometer nordwestlich der ukrainischen Hauptstadt hätten sich Fallschirmjäger einer "überwältigenden" Anzahl russischer Truppen entgegengestellt, die mit gepanzerten Fahrzeugen vorrückten. Eine Brücke sei zerstört worden. Auch auf dem strategisch wichtigen Flugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew werde gekämpft, teilte der Generalstab weiter mit. Ukrainische Truppen hielten auch dort Stand.
Nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nahm Russland um 4 Uhr Ortszeit die Raketenangriffe wieder auf. Beschossen würden sowohl zivile als auch militärische Ziele, teilt er in einer im Fernsehen übertragenen Rede mit. Der Vormarsch der russischen Truppen sei an den meisten Stellen gestoppt worden.
Offenbar russisches Flugzeug abgeschossen
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko veröffentlichte im sozialen Netzwerk Telegram ein Video, das Brände in mehreren Etagen eines getroffenen Gebäudes zeigt. Die Stadtverwaltung meldete drei Verletzte, einer davon in Lebensgefahr. Ein Flugzeug sei abgeschossen worden, schrieb ein Berater des ukrainischen Innenministers. Noch sei unklar, ob das Flugzeug bemannt war. Details blieben offen.
Wrack eines nicht identifizierten Flugzeugs in einem Wohngebiet in Kiew.
In Kiew heulten erneut die Sirenen, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Die Stadtverwaltung rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich möglichst in Sicherheit zu bringen. Die U-Bahn-Stationen der Stadt mit etwa 2,8 Millionen Einwohnern dienten als Schutzräume.
Im Laufe des Tages rechnet die Ukraine auch mit Panzerangriffen auf die Hauptstadt. "Heute wird der härteste Tag", sagte Anton Heraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministers. Die Verteidiger von Kiew stünden mit Panzerabwehrraketen bereit, die von internationalen Verbündeten stammten.
Menschen suchten in Kiew in U-Bahn-Stationen Schutz.
Raketenbeschuss auch im Süden gemeldet
Auch aus anderen Landesteilen wurden Gefechte gemeldet. In der Region Saporischschja im Süden meldete das ukrainische Verteidigungsministerium ebenfalls russischen Raketenbeschuss. Bei dem Angriff auf eine Einheit des Grenzschutzes habe es Tote und Verletzte gegeben. Medienberichten zufolge griffen russische Truppen zudem den Flughafen der Stadt Riwne im Westen an. Auch aus Sumy im Nordosten des Landes nahe der russischen Grenze wurden Kämpfe gemeldet. Diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Der ukrainische Präsident Selenskyj mutmaßte, dass der russische Angriff ihn stürzen solle. "Nach unseren Informationen hat mich der Feind zum Ziel Nummer Eins erklärt, meine Familie zum Ziel Nummer Zwei", sagte er - eine Einschätzung, die die US-Regierung teilt. Trotzdem wolle er in Kiew bleiben. Er beklagte, dass die NATO die Ukraine nicht aufnehmen wolle und das Land auf sich gestellt sei.
Die ukrainische Armee habe am ersten Tag der russischen Invasion 137 Soldaten verloren, 316 Soldaten seien verletzt worden, sagte Selenskyj. Russland habe das gesamte Gebiet der Ukraine angegriffen. Angaben über zivile Opfer blieben spärlich.
Ukraine bittet Hacker um Hilfe
Gestern hatte Selenskyj eine allgemeine Mobilmachung angeordnet, die für 90 Tage gelten soll und die Einberufung von Wehrpflichtigen und Reservisten vorsieht. Wie viele Männer betroffen sein werden, sagte er nicht. Zudem bat die ukrainische Regierung Hacker um Hilfe, um kritische Infrastrukturen zu schützen und russische Truppen im Cyberspace auszuspionieren, wie zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen sagten. Eine entsprechende Anfrage der Regierung sei in Hackerforen aufgetaucht.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte gestern in einer Fernsehansprache einen Angriff auf die Ukraine angekündigt. Kurz darauf waren in Kiew und anderen Städten Raketen und Artilleriegranaten eingeschlagen. Russland hatte die Zerstörung Dutzender militärische Einrichtungen in der Ukraine verkündet. Russische Bodentruppen waren anschließend binnen weniger Stunden bis in den Großraum Kiew vorgedrungen. Luftlandetruppen nahmen einen Militärflughafen am nordwestlichen Stadtrand von Kiew ein. .
Macron telefoniert mit Putin
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete ein weiteres Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als "offen, direkt und kurz". Er habe Putin in dem Gespräch auf Bitten des ukrainischen Präsidenten Selenskyj aufgefordert, die Kämpfe in der Ukraine so rasch wie möglich zu beenden, sagte Macron. Er gestand mit Verweis auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine ein: "Es hat keine Wirkung gezeigt, das sehen Sie im Moment ganz deutlich, da der russische Präsident den Krieg gewählt hat."
Er habe Putin dazu aufgefordert, zu diskutieren, mit Selenskyj zu diskutieren, sagte Macron. Selenskyj selbst erreiche Putin schließlich nicht. Es sei seine Verantwortung, eine solche Initiative zu ergreifen, wenn sie von der Ukraine erbeten werde.
Macron warb dafür, das russische Vorgehen zu verurteilen und zu sanktionieren, aber zugleich den Weg des Gesprächs offen zu halten, damit ein Ende der Feindseligkeiten erreicht werden könne, wenn die Bedingungen erfüllt seien. Macron ist der erste westliche Politiker, der mit Putin nach dessen international scharf kritisierten Einsatzbefehl gesprochen hat.