Nach Ausschreitungen NATO verstärkt KFOR-Schutztruppe im Kosovo
Die ehemalige serbische Provinz Kosovo kommt nicht zur Ruhe. Als Reaktion auf die jüngsten Zusammenstöße wird die NATO die KFOR-Schutztruppe um 700 Soldaten aufstocken. Die EU forderte die Konfliktparteien dazu auf, für Ruhe zu sorgen.
Nach den jüngsten Ausschreitungen im Kosovo stockt die NATO ihre Friedensmission deutlich auf. "Wir haben beschlossen, 700 weitere Soldaten aus der Einsatzreserve für den westlichen Balkan zu entsenden", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Pressekonferenz in Oslo.
Zusätzlich werde noch ein weiteres Bataillon mit Reservekräften in höhere Einsatzbereitschaft versetzt, um es bei Bedarf ebenfalls schnell verlegen zu können. Zahlen dazu nannte Stoltenberg nicht. In der Regel besteht ein Bataillon aus etlichen Hundert Soldaten.
Zusammenstöße in der Gemeinde Zvecan
Hintergrund der jüngsten Ausschreitungen sind die Kommunalwahlen, die vor rund einem Monat stattfanden. Diese waren von der im Norden mehrheitlich ethnisch-serbischen Bevölkerung größtenteils boykottiert worden. Mit der Folge, dass Kosovo-Albaner mit sehr wenigen Stimmen zu Bürgermeistern gewählt wurden. Sie wollten nun ihre Ämter antreten - ungeachtet von Kritik, die auch von der US-Botschaft in Pristina kam.
Spezialkräfte der kosovarischen Polizei und die KFOR mussten die neugewählten Bürgermeister vor serbischen Demonstranten schützen. Die Serben fordern den Rücktritt der ethnisch-albanischen Bürgermeister sowie den Abzug der kosovarischen Spezialpolizei. Besonders in der Gemeinde Zvecan wurde die Situation am Montag kritisch. Serbische Demonstranten versuchten, die Stadtverwaltung zu stürmen. KFOR-Soldaten stellten sich ihnen entgegen. Später wurden sie mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen angegriffen. Die ebenfalls anwesende kosovarische Polizei setzte Tränengas ein.
Lage im Norden bleibt angespannt
Nach KFOR-Angaben erlitten 30 Soldaten aus Ungarn und Italien Verletzungen, darunter Knochenbrüche und Verbrennungen. "Die KFOR hat auf die unprovozierten Angriffe einer gewalttätigen und gefährlichen Menge reagiert", hieß es in einer Erklärung der Schutztruppe. Laut dem Krankenhaus in der nahen Stadt Mitrovica wurden 53 Serben verletzt.
Auch heute kam es zu Zwischenfällen, als maskierte serbische Männer in der Ortschaft Leposavic im Norden des Kosovo zwei Autos von Journalisten mit albanischem Kennzeichen angriffen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters beobachtete. In Zvecan sicherten Dutzende NATO-Soldaten die Innenstadt. Mehrere ethnische Serben versammelten sich vor dem Rathaus und standen den Soldaten aus den USA, Italien und Polen gegenüber. Die Lage dort blieb laut Reuters ruhig.
Eigentlich standen die Vorzeichen auf Entspannung
Die Konflikte im Nord-Kosovo ziehen sich seit Jahren hin: Das 1,8-Millionen-Einwohner-Land Kosovo mit seiner mehrheitlich ethnisch-albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird aber von der Regierung in Belgrad bis heute als serbische Provinz betrachtet. Rund 120.000 Serben leben im Kosovo, vor allem im Norden des Landes.
Nach einem bewaffneten Aufstand der Kosovo-Albaner und einer NATO-Intervention gegen Serbien 1999 hatte die UN-Administration Unmik das Land verwaltet. Die von der NATO geführte KFOR wurde 1999 von den UN damit beauftragt, für die Sicherheit im Kosovo zu sorgen. Sie hat heute noch etwa 3800 Soldaten dort stationiert, unter ihnen knapp 70 Deutsche.
"Wir können uns keinen weiteren Konflikt leisten"
Die jüngste Eskalation kommt zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt: Zuletzt hatten sich Kosovo und Serbien unter EU-Vermittlung darauf verständigt, ihre Beziehungen zu normalisieren. Davon scheinen sie aktuell allerdings weit entfernt zu sein. Entsprechend scharf verurteilte die EU die Ausschreitungen. "Gewalttaten gegen Bürger, gegen Medien, gegen Strafverfolgungsbehörden und die KFOR-Truppen sind absolut inakzeptabel", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Sie führten "zu einer sehr gefährlichen Situation".
Beide Parteien müssten unverzüglich alles dafür tun, um zu deeskalieren und wieder für Ruhe zu sorgen. Konkret forderte Borrell von den kosovarischen Behörden, die Polizeieinsätze einzustellen, und von den militanten Serben, sich zurückzuziehen. "Wir haben schon jetzt zu viel Gewalt in Europa. Wir können uns keinen weiteren Konflikt leisten", sagte er.
Mit Informationen von Silke Hahne, ARD-Studio Wien