Vucic und Kurti in Brüssel Worüber streiten Serbien und der Kosovo?
Die EU-Kommission will im Kosovo-Konflikt eine Einigung. Der kosovarische Premierminister Kurti und Serbiens Präsident Vucic sind hierzu nach Brüssel eingeladen. Was sind die strittigen Fragen und wie festgefahren ist die Lage?
Warum dieses Treffen jetzt?
Die EU und die USA wollen keine Verhandlungen mehr. Sie haben den verfeindeten Regierungschefs Albin Kurti und Aleksandar Vucic eine Frist gesetzt. Bis März sollen sie den von Deutschland und Frankreich ausgearbeiteten EU-Plan für die Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien akzeptieren. Der Direktor des Belgrader Instituts für territoriale Wirtschaftsentwicklung InTER, Dragisa Mijacic, kann diesen Druck nachvollziehen.
"Der Westen will das Kosovo-Problem noch in diesem Jahr lösen, weil im kommenden Jahr das EU-Parlament und der US-Präsident gewählt werden. Wenn man das abwartet, zieht sich das Problem noch bis ins Jahr 2026 hinein, und dann könnte es Krieg im Nordkosovo geben", sagt Mijacic.
Was sieht der EU-Vorschlag für den Kosovo vor?
Kosovarische und serbische Medien haben den Plan in groben Zügen veröffentlicht. Demnach gibt es zehn Punkte, die dazu führen sollen, dass der Kosovo und Serbien normale nachbarschaftliche Beziehungen aufbauen. Dazu gehört zum Beispiel, dass beide Staaten die jeweiligen nationalen Symbole des anderen akzeptieren, wie Pässe, Diplome, Autoschilder oder Zollstempel. Serbien soll den Beitritt des Kosovo zu internationalen Organisationen nicht blockieren.
Außerdem sollen beide Seiten beim EU-Beitrittsprozess zusammenarbeiten. Serbien ist seit 2014 in EU-Beitrittsverhandlungen. Der Kosovo hat im Dezember 2022 einen Beitrittsantrag eingereicht, der von Serbien sehr negativ kommentiert wurde. Die EU fordert des Weiteren eine Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen, wie Wirtschaft, Wissenschaft, Justiz, Kultur und Sport.
Wie steht Serbien zum Vorschlag?
Der serbische Präsident Vucic gilt vielen EU-Politikern als manipulativ und wenig zuverlässig. Seit Jahren laviert er zwischen der EU und Russland. Und auch im Kosovo-Konflikt ist nie genau klar, was Vucic als nächstes vorhat. Im serbischen Parlament, wo er die Nationalisten im Nacken hat, sagte er zuletzt, dass der EU-Vorschlag in einigen Punkten inakzeptabel sei.
Bei seinen Auftritten im serbischen Fernsehen klang er wiederum so, als ob er sein Volk darauf vorbereiten wolle, dass er sich mit dem Kosovo einigen wird. "Wir müssen den Frieden schützen und Kompromisse eingehen. Die EU droht, ihre Investitionen aus Serbien abzuziehen, wenn wir das nicht tun. Serbien stehen schwere Tage bevor, aber wir werden unser Land nicht hergeben", sagte Vucic wenige Tage vor dem Treffen in Brüssel.
Vucic meint mit "unser Land" in erster Linie den Kosovo selbst. Denn der Präsident will den Kosovo nicht als von Serbien unabhängigen Staat akzeptieren. Im EU-Vorschlag wird das allerdings auch nicht von ihm verlangt. Vucic soll lediglich normale diplomatische Beziehungen zum Kosovo aufbauen und damit umgehen, dass das Land unabhängig regiert wird.
Wie steht der Kosovo zum Vorschlag?
Der kosovarische Premierminister Kurti hat vor Pressevertretern mitgeteilt, dass er mit neun von zehn Punkten des Vorschlags zufrieden ist. Nur mit dem zehnten Punkt hat er ein Problem, mit der Forderung, dass alle früher in Brüssel ausgehandelten Vereinbarungen umzusetzen sind.
Das würde auch bedeuten, dass die zehn serbischen Gemeinden im Kosovo einen Gemeindeverband gründen dürfen. Kurti war als Premier aber mit dem Versprechen angetreten, das nicht zuzulassen. Er fürchtet eine serbische Blockade- und Abspaltungspolitik und zog immer wieder den Vergleich mit Bosnien und Herzegowina und der serbischen Entität Republika Srpska.
"Unser Verfassungsgericht hat eine monoethnische serbische Verwaltungseinheit im Kosovo abgelehnt. Der Plan ist ja, dass sie monopolistisch kontrolliert wird, von der aus Belgrad gesteuerten Partei Serbische Liste", sagte Kurti.
Wie wahrscheinlich ist eine baldige Einigung?
Das ist schwer zu sagen. Der serbische Präsident Vucic besteht auf den Aufbau der kosovarisch-serbischen Gemeindeverwaltung. Er hat sie selbst mit Kurtis Vorgängerregierung, die da anderer Meinung war, ausgehandelt und bezeichnet sie als notwendig, damit die Serben im Kosovo geschützt seien und ihre Interessen gegenüber der albanisch-dominierten Zentralregierung in Pristina behaupten könnten.
Vucic hat die EU und die USA in diesem Punkt hinter sich. Insofern hat Vucic keinen unmittelbaren Grund, dem EU-Plan nicht zuzustimmen. Allerdings ist bei Vucic unklar, wie er dem Plan wirklich gegenübersteht, weil er immer wieder verschiedene Aussagen macht.
Kurti hingegen steckt eindeutig in einem Dilemma, und wie er damit umgehen wird, ist unklar. Wenn er sich treu bleiben will, dann kann er dem EU-Vorschlag eigentlich nicht zustimmen. Einige Experten im Kosovo spekulieren, dass Kurti eine Volksabstimmung über die serbische Gemeindeverwaltung abhalten lassen könnte, um die mehrheitlich albanischen Bürger entscheiden zu lassen, ob sie diese Kröte schlucken wollen, um auf dem Weg zum EU-Beitritt einen Schritt weiterzukommen.