Nach Kommunalwahlen Explosive Lage im Norden des Kosovo
Erst kürzlich hatten Serbien und der Kosovo unter EU-Vermittlung erklärt, ihr Verhältnis normalisieren zu wollen. Doch nach der Gewalt mit vielen Verletzten droht Eskalation statt Annäherung.
Die Lage in Nordkosovo bleibt angespannt. Auch heute Vormittag versammelten sich Demonstranten in der Nähe mehrerer Gemeindeämter. Und auch die KFOR-Einsatzkräfte waren wieder vor Ort. Sie errichteten Absperrungen, um die Gebäude zu schützen und Ausschreitungen wie gestern zu verhindern. Nach KFOR-Angaben erlitten 30 Soldaten aus Ungarn und Italien Verletzungen, darunter Knochenbrüche und Verbrennungen.
Nur wenige Stimmen reichten zum Wahlsieg
Hintergrund der jüngsten Unruhen sind die Kommunalwahlen, die vor rund einem Monat stattfanden. Diese waren von der im Norden mehrheitlich ethnisch-serbischen Bevölkerung größtenteils boykottiert worden. Mit der Folge, dass Kosovo-Albaner mit sehr wenigen Stimmen zu Bürgermeistern gewählt wurden.
Sie wollten nun ihre Ämter antreten - ungeachtet von Kritik, die auch von der US-Botschaft in Pristina kam. Spezialkräfte der kosovarischen Polizei und die KFOR mussten die neugewählten Bürgermeister vor serbischen Demonstranten schützen.
Die UN-Mission im Kosovo, die US-Botschaft, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell - sie alle verurteilten die Gewalt und riefen zur Deeskalation auf. Doch die Lage ist verfahren.
Die serbische Seite fordert den Rücktritt der ethnisch-albanischen Bürgermeister sowie den Abzug der kosovarischen Spezialpolizei. "Die Spezialeinheit, die im und um den Gemeindesitz stationiert ist, soll sich mit ihren gepanzerten Fahrzeugen in den Süden zurückziehen. Denn das hier ist keine Polizeistation, sondern eine Stadtgemeinde, die dem Volk dienen soll", meint Gordan Rakic, Vorsitzender der von Serbien unterstützten Partei "Serbische Liste" im Kosovo. "Polizeikräfte, mit Langwaffen bewaffnet, sollten hier nicht jemanden beschützen, der mit 50 oder sogar weniger Stimmen gewählt wurde."
Ob die Regierung in Pristina die Polizeikräfte abzieht, ist offen. Das Innenministerium dementierte entsprechende Medienberichte.
Gegenseitige Vorwürfe von Serbien und dem Kosovo
Derweil überziehen sich Politiker aus Serbien und Kosovo gegenseitig mit Anschuldigungen für den Ausbruch der neuen Gewalt. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic behauptete am Abend über den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti, in der Region ein Blutbad auslösen zu wollen. Und weiter: "In den letzten drei Tagen konnte auch ein Blinder sehen und ein politischer Analphabet verstehen, was hier vorbereitet wurde. Es ist alles organisiert von Albin Kurti und es ist sein Wunsch, dass es zum großen Konflikt zwischen den Serben und der NATO kommt."
Kurti äußerte sich bisher lediglich auf Twitter zu den Vorfällen. In einer Demokratie gebe es keinen Platz für faschistische Gewalt, so Kurti wörtlich.
Die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani beschuldigte die serbische Regierung in Belgrad, hinter der Gewalt zu stecken. Wer Vucics Befehle zur Destabilisierung des Nordkosovo ausgeführt habe, müsse vor Gericht gestellt werden.
Die Eskalation kommt zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt: Zuletzt hatten sich Kosovo und Serbien unter EU-Vermittlung darauf verständigt, ihre Beziehungen zu normalisieren. Davon scheinen sie aktuell allerdings weit entfernt zu sein.