Europas Klimapaket Wichtig wie nie, umstritten wie selten
Der "Green Deal", Europas Jahrhundertprojekt zum nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, war lange Konsens. Doch das ändert sich zurzeit - und könnte gerade im EU-Wahlkampf neu zur Debatte stehen.
In Dubai hat es Mitte Dezember doch noch geklappt: Zum ersten Mal fordert ein Klimagipfel die Staaten der Welt auf, die Nutzung von Kohle, Öl und Gas zu beenden. Das soll helfen, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu halten.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra hatte für eine schärfere Formulierung im Abschlusstext gekämpft, war am Ende aber hochzufrieden: "Das ist ein Tag voller Dankbarkeit, feierlicher Zufriedenheit und vielleicht auch stiller Entschlossenheit und ein Tag, um die Tatsache zu würdigen, dass die Menschheit endlich getan hat, was längst überfällig war."
EU steht vergleichsweise gut da
Hoekstra konnte auf dem Gipfel glänzen, denn beim Klimaschutz steht die EU im internationalen Vergleich blendend da. Sie hat sich ehrgeizige Ziele gesteckt und entsprechend viele Gesetze beschlossen. So wollen die 27 Mitgliedsstaaten ihren Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis zum Ende des Jahrzehnts um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.
Tatsächlich werden es sogar mehr, sagt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese: "Wir haben Gesetze angenommen die uns bis 2030 nicht nur 55 Prozent Reduktion bringen, sondern 57 Prozent. Die Unternehmen machen sich auf den Weg. Das ist wirklich historisch."
So haben die EU-Staaten 2023 den Handel mit Ausstoßgutschriften verschärft, indem sie die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten in einigen Bereichen schrittweise beenden. Außerdem weiten sie den Emissionshandel auf Gebäude und Straßenverkehr aus. Ab 2035 werden keine Neuwagen mit Verbrennermotor mehr zugelassen. Dafür baut die EU mehr Ladestationen für E-Autos, alle 60 Kilometer soll eine stehen. Der Anteil der Energie aus Sonne, Wind und Wasser am Gesamtverbrauch soll bis 2030 auf 42,5 Prozent steigen.
Zusammenhalt im EU-Parlament schwindet
Aber die EU-Ziele reichen im Kampf gegen den Klimawandel nicht aus. Und die Mitgliedsstaaten sind uneins, ob Atomkraft ein nachhaltiger Energieträger ist, der zum Klimaschutz beiträgt. Frankreich sieht das so, Deutschland nicht.
Außerdem bröckelt im EU-Parlament der Zusammenhalt der pro-europäischen Fraktionen. Sie haben den "Green Deal", Europas Plan zum nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, lange gemeinsam getragen. Michael Bloss von den Grünen sagte dazu: "Diese gemeinsame Reise, die alle demokratischen Parteien in Richtung Klimaschutz machen - da sind jetzt schon ein paar abgesprungen, vor allem die Konservativen."
Konservative gegen Regulierung
An denen scheiterte Ende November im Parlament der Vorstoß, bis 2030 deutlich weniger Pflanzengifte einzusetzen. Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur beschloss die EU erst nach langem Streit. Es schreibt vor, dass die Mitgliedsstaaten nun Hecken pflanzen, Moore vernässen und Wälder aufforsten müssen.
Die christdemokratische EVP-Gruppe wollte das Vorhaben blockieren, setzte sich damit aber nicht durch. Fraktionschef Manfred Weber warnte bei einem Parteikongress im Mai in München davor, Landwirte übermäßig zu belasten. EVP-Politiker beklagen regelmäßig, dass Brüssel zu viel reguliere.
Wie geht es weiter mit dem "Green Deal"?
Auch Staats- und Regierungschefs verlangen eine Pause bei den Umweltvorschriften. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gelobte Besserung und versprach mehr Dialog mit Bauern und weniger Meldepflichten auf europäischer Ebene.
Aber nach Ansicht des Grünen-Politikers Bloss geht es ums Prinzip: Konservative Parteien hätten sich weniger dem Klimaschutz verschrieben. "Da werden wir miteinander wieder kämpfen müssen. Und ich glaube, die Europawahl wird auch eine Entscheidung darüber sein, machen wir mit dem 'Green Deal' weiter oder nicht", so Bloss.
Die Frage, wer noch wie weit hinter dem europäischen Jahrhundertprojekt "Green Deal" steht, könnte in den kommenden Monaten heiß diskutiertes Thema im Europa-Wahlkampf werden.