Neuwahl in Frankreich Die Dämonisierung der Linken
Nach dem Sieg in der ersten Runde der französischen Parlamentswahl kämpft der Chef des rechtspopulistischen Rassemblement National für eine absolute Mehrheit. Hauptgegner ist für ihn nicht mehr das Macron-Lager, sondern das Linksbündnis.
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Der Chef vom Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, hat als neuen Hauptfeind das Linksbündnis Nouveau Front Populaire ausgemacht. Eindringlich warnt er seit gestern Abend davor, dass der umstrittene Anführer der linksradikalen La France Insoumise, Jean-Luc Melenchon, Regierungschef werden könnte. Auch wenn dies eine Vielzahl linker Politiker dementiert, versucht Bardella mit dieser Angststrategie beim Wähler zu verfangen.
"Ich strebe eine absolute Mehrheit an, um das Land wieder aufzurichten. Ich bin der einzige, der in der Lage ist, den linken Anführer Jean-Luc Melenchon zu schlagen", sagt Bardella. Er inszeniert sich als bürgerliches Bollwerk gegen die "linken Chaoten".
"Diese Logik zeugt von einem moralischen Scheitern"
Mathilde Panot, bis vor der Auflösung des Parlaments noch Fraktionsführerin von La France Insoumise, wehrt sich gegen die Dämonisierung ihres Lagers. Schuld daran sei im Grunde Präsident Emmanuel Macron. Er sei es gewesen, der im Wahlkampf die Linke für genauso gefährlich erklärt habe wie die extreme Rechte.
"Diese Logik zeugt doch von einem moralischen Scheitern", sagt Panot. Man könne ihre Partei nicht mit Menschen auf eine Stufe stellen, die sagen, Hitler habe nicht genügend Sinti und Roma getötet. "Wenn sie Leute haben auf der extrem Rechten, die sagen, es gebe zwei Sorten von Franzosen - die echten und die, die es nur auf dem Papier seien, dann müssen wir doch aufstehen und uns dagegen wehren, über einen Kamm geschert zu werden."
Macron vollzieht eine Wende
Macron hatte während des Wahlkampfs vor einem Bürgerkrieg gewarnt, sollten das extrem rechte oder das linke Lager an die Macht kommen. Nun aber ist Macron auf das linke Lager angewiesen, um eine absolute Mehrheit des RN im Parlament zu verhindern. Deshalb hat er eine Wende vollzogen. Er hat seine eigenen Kandidaten aufgefordert, immer dann ihre Kandidatur in der Stichwahl zurückzuziehen, wenn ein Linker besser platziert ist, um den RN zu schlagen.
Das ist eine krasse Volte, die nicht alle mitmachen wollen. Etwa Yael Braun-Pivet, Präsidentin des aufgelösten Parlaments. Sie wirft einigen Mitgliedern der weit links stehenden La France Insoumise Antisemitismus vor. "Die allermeisten im linken Lager stehen für republikanische Werte ein, ich kann sie unterstützen - Grüne, Sozialisten, Kommunisten", sagt Braun-Pivet. "Aber bei La France Insoumise schaue ich von Fall zu Fall. Tut mir leid, da differenziere ich."
Katerstimmung nach der ersten Runde
Es herrscht Katerstimmung nach der ersten Runde der Parlamentswahlen. Stundenlang beratschlagten Macron und seine Minister und Ministerinnen am Nachmittag im Elysée über das weitere Vorgehen. Französische Medien sprechen von einer äußerst angespannten Stimmung. Denn alles scheint verloren aus Sicht der Macronisten.
Der Rassemblement National steht vor den Toren der Macht, die Linke ist gestärkt, das eigene Lager nicht nur geschlagen, sondern auch zerstritten. Macron hat die Gefolgschaft vieler seiner eigenen Leute eingebüßt. Noch hofft er, den Karren irgendwie aus dem Dreck ziehen können, doch die Lage ist festgefahren. Keine gute Ausgangslage für den erträumten Neustart.