Frankreich vor Stichwahl Macron-Lager uneins über Wahlstrategie
Nach der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich ringt das Macron-Lager um eine Strategie für die Stichwahl: Kommt ein Schulterschluss mit den Linkspopulisten in Frage, um einen Wahlsieg des Rassemblement National zu verhindern?
Am Tag nach dem Wahlerfolg des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) in der ersten Runde der französischen Parlamentswahl ist sich das Mitte-Lager der Regierung um Präsident Emmanuel Macron uneins über die Strategie vor der entscheidenden Stichwahl.
Während führende Vertreter der französischen Linken und des zentristischen Blocks von Präsident Emmanuel Macron erklärt haben, sie würden bei den nötigen Stichwahlen am kommenden Sonntag ihre eigenen Kandidaten in Bezirken zurückziehen, in denen ein anderer Kandidat bessere Chancen hätte, die extreme Rechte zu schlagen, schloss Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire solch eine Strategie aus.
Le Maire setzt LFI und RN gleich
Er rief dazu auf, der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI) von Jean-Luc Melenchon auch dann keine Stimme zu geben, falls dies die einzige realistische Möglichkeit wäre, um einen Kandidaten des RN zu verhindern: "Für mich ist LFI eine Gefahr für die Nation, so wie der RN eine Gefahr für die Republik ist", sagte er dem Sender France Inter. Er warf der Partei Antisemitismus und Gewalt vor.
An die Wählerinnen und Wähler des Regierungslagers appellierte er, im Fall eines Duells zwischen einem RN-Kandidaten und einem Kandidaten des "sozialdemokratischen Lagers" für letzteren zu stimmen. Damit meine er die Sozialisten, Kommunisten und Grünen, erklärte er. Diese hatten mit der LFI das Wahlbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) gebildet.
Wer zählt zu Macrons "breitem Bündnis"?
Grünen-Chefin Marine Tondelier reagierte mit Entsetzen auf Le Maires Wahlempfehlung. "Das ist feige und der historischen Tragweite nicht angemessen", sagte sie dem Sender France Inter.
Macron hatte sich während des Wahlkampfs als Bollwerk gegen die Extreme zu inszenieren versucht und dabei die Rechtspopulisten und die NFP ebenfalls auf eine Stufe gestellt. Nach der Wahl rief Macron dazu auf, ein "breites Bündnis" gegenüber dem RN zu bilden, ließ aber offen, wer dazugehören solle.
Regierungslager abgeschlagen auf Platz drei
Der rechtspopulistische RN war nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis in der ersten Runde der Parlamentswahl auf 29,25 Prozent gekommen. Das links-grüne Wahlbündnis NFP kommt nach den Hochrechnungen auf etwa 28 Prozent. Das Regierungslager liegt mit etwa 20 Prozent abgeschlagen auf Platz drei.
Nach manchen Prognosen könnte der RN nach der zweiten Runde am 7. Juli auf eine relative oder absolute Mehrheit kommen. Das hängt vor allem davon ab, wie viele Kandidaten sich vor der zweiten Runde zurückziehen, um den Sieg eines RN-Kandidaten zu verhindern.
Kann Macron junge Mitte-links-Wähler mobilisieren?
Die deutsche Grünen-Politikerin und Frankreich-Expertin Franziska Brantner sieht im Wahlerfolg des RN eine "unheimliche Veränderung in Frankreich". Es komme jetzt darauf an, ob die Demokraten es schafften, "den Damm zu halten", sagte sie im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Dabei gehe es vor allem um die Frage, ob es dem Regierungslager um Macron im zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag gelingen wird, junge Mittel-links-Wähler zu mobilisieren, einen Kandidaten von Macron zu unterstützen, um so einen Kandidaten des RN zu verhindern.
Sollten sich die aktuellen Prognosen bewahrheiten und keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Koalitionsverhandlungen. Derzeit ist nicht absehbar, wie die grundverschiedenen politischen Akteure für eine Regierung zusammenkommen könnten. Wird keine Lösung gefunden, könnte die aktuelle Regierung als eine Art Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. Frankreich würde in einem solchen Szenario politischer Stillstand drohen.