Beratungen in Brüssel EU-Gipfel endet ohne Asyl-Einigung
Der EU-Gipfel ist ohne Einigung in der Migrationspolitik zu Ende gegangen - Polen und Ungarn stellten sich quer. Kanzler Scholz glaubt trotzdem an eine erfolgreiche Asylreform. Die EU habe ihre Handlungsfähigkeit bereits gezeigt.
Der EU-Gipfel in Brüssel ist mit dem Vorhaben gescheitert, eine gemeinsame Erklärung zum umstrittenen Thema Migration zu verabschieden. Stattdessen wollte EU-Ratspräsident Charles Michel nun einen eigenen Text veröffentlichen, wie ein EU-Beamter mitteilte.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte auf einer Pressekonferenz nach Abschluss des Gipfels, er erwarte trotzdem, dass die Europäische Union eine gemeinsame und für alle verbindliche Migrationspolitik beschließen werde.
Dass sich die Innenminister Anfang Juni mehrheitlich auf einen Kompromiss in der Asylpolitik verständigt hätten, zeige die Handlungsfähigkeit der EU, so Scholz. Deutschland hoffe weiter auf Verbesserungen im Gesetzgebungsverfahren. Wichtig sei, dass die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament nun zügig abgeschlossen würden. Er gehe davon aus, dass dies anschließend auch von allen Ländern umgesetzt werde, sagte Scholz.
20.000 Euro für jeden abgelehnten Flüchtling
Polen und Ungarn verhinderten bei dem Treffen eine geschlossene Linie. Die Regierungen in Warschau und Budapest wehrten sich gegen den Asylkompromiss der EU-Innenminister von Anfang Juni. Der Kompromiss war erst nach jahrelangem Streit erreicht worden.
Danach sollen beide Staaten 20.000 Euro für jeden Geflüchteten zahlen, den sie nicht von Ankunftsländern wie Italien oder Griechenland übernehmen. Polen beharrte nach den Worten von Regierungschef Mateusz Morawiecki auf einer Klarstellung durch den EU-Gipfel, "dass das Verfahren (der Umverteilung der Flüchtlinge) freiwillig bleibt". Das lehnten die anderen EU-Länder jedoch ab.
Bis um ein Uhr morgens hatten die anderen EU-Staats- und Regierungschefs versucht, Morawiecki und den ungarischen Regierungschef Viktor Orban zu überzeugen - vergebens. Am Freitag ging der Streit weiter.
EU-Länder wollen Ukraine weiter unterstützen
Einigkeit bestand hingegen schon am ersten Tag des Gipfels über die weitere Unterstützung der Ukraine. In der Gipfelerklärung heißt es: "Die Europäische Union wird der Ukraine und ihrer Bevölkerung weiterhin entschiedene finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Hilfe leisten, solange dies nötig ist."
Mit der EU-Beitrittsperspektive der Ukraine befassten sich auf dem Gipfel Scholz, Frankreichs Präsident Macron und acht weitere EU-Staats- und Regierungschefs. Zu dem Thema habe es auf Anregung von Deutschland, Frankreich und den Niederlanden am Rande des EU-Gipfels eine eigene Gesprächsrunde gegeben, hieß es in Diplomatenkreisen.
Es habe einen Konsens gegeben, dass die Ukraine in die EU integriert werden müsse. Offen sei die Frage, ob die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine an vorherige interne EU-Reformen geknüpft werde oder der Prozess parallel verlaufen könne. "Alle haben eingesehen, dass es schneller gehen wird als gedacht", sagte ein Diplomat. Die Ukraine ist seit einem Jahr EU-Beitrittskandidatin. Die EU-Kommission legt voraussichtlich im Oktober einen Bericht über die Reformfortschritte des Landes vor.
China weiterhin Konkurrent und Partner
In Bezug auf China will die EU Abhängigkeiten reduzieren, die Partnerschaft aber nicht aufgeben. "Trotz ihrer unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Systeme haben die EU und China ein gemeinsames Interesse an konstruktiven und stabilen Beziehungen", heißt es in dem von den 27 EU-Staats- und Regierungschefs beschlossenen Text. Es bleibe beim Ansatz, dass China gleichzeitig Partner, Konkurrent und systemischer Rivale sei.
China wird zudem als ständiges UN-Sicherheitsratsmitglied aufgefordert, Russland dazu zu drängen, den Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden und die Truppen "unverzüglich, vollständig und bedingungslos" aus der Ukraine abzuziehen.
Zudem bekräftigt die EU ihre Besorgnis über wachsende Spannungen in der Straße von Taiwan. Der Status quo dürfe nicht mit Gewalt oder Zwang verändert werden, heißt es mit Blick auf die Insel Taiwan, die von Peking als abtrünnige Provinz angesehen wird. Außerdem pocht die Union auf die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Mit Informationen von Jakob Mayr, ARD Brüssel