Treffen in Brüssel Die Baustellen beim EU-Gipfel
Beim EU-Gipfel in Brüssel gibt es viel zu besprechen: von der Ukraine bis China, von der Asylreform bis zu den Finanzforderungen der EU. Ein Überblick über die zentralen Themen.
Der Machtkampf in Moskau
Die Kurzrevolte von Wagner-Söldnerführer Jewgeni Prigoschin wirbelt natürlich auch die Tagesordnung des EU-Gipfels durcheinander. Schließlich sind die weiteren Entwicklungen in Russland und die möglichen Konsequenzen für den Krieg gegen die Ukraine genauso unvorhersehbar wie die Zukunft der Wagner-Gruppe. Sollte sich die Privatarmee in Belarus versammeln, wäre das womöglich eine Bedrohung für die europäische Sicherheit.
Unklar ist ebenfalls, welche Gefahr von einem instabilen Russland ausgehen könnte. Nach den Ereignissen vom vergangenen Wochenende will die EU deshalb Geschlossenheit demonstrieren - untereinander und mit Partnerstaaten wie den USA. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist zu Gast, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist per Videoschalte dabei.
Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass die EU die Rüstungsindustrie in Europa beim Ausbau der Produktionskapazitäten unterstützt und mehr gemeinsame Waffenkäufe beschlossen hat. Im Vorfeld des NATO-Gipfels, der Mitte Juli in Vilnius stattfinden soll, wollen die Staats- und Regierungschefs außerdem über die Zusammenarbeit mit der westlichen Militärallianz sprechen.
Die Ukraine-Hilfe
Die Unterstützung soll nicht nur weitergehen, sondern ausgeweitet werden - als klares Signal an den russischen Präsidenten. Wladimir Putin setzt darauf, dass der EU die Luft ausgeht. Aber diese Wette werde er verlieren, heißt es in Brüssel.
Der europäische Friedensfonds, über den der Großteil der Rüstungshilfe für Kiew finanziert wird, soll deshalb um 3,5 Milliarden Euro aufgestockt werden. Weitere konkrete Beschlüsse sind allerdings nicht zu erwarten. Die EU-Kommission und Mitgliedsstaaten wie Estland oder Litauen wollen Russland zwar für den Wiederaufbau der Ukraine zur Kasse bitten und dafür eingefrorene russische Vermögenswerte nutzen. Etwa durch das Abschöpfen von Zinserträgen. Das aber gilt als rechtlich schwierig. Viele Regierungen bezweifeln, dass sich der Aufwand lohnt.
Wie ein Sondertribunal für russische Kriegsverbrecher aussehen soll, ist ebenfalls noch offen. Und über Sicherheitsgarantien für die Ukraine kann nach Ansicht von EU und NATO ohnehin erst dann gesprochen werden, wenn der Krieg zu Ende ist.
Die Asylreform
Mit dem Kompromiss der EU-Innenminister ist die Debatte noch längst nicht vorbei. Ungarn und Polen wollen nach wie vor keine Flüchtlinge aufnehmen und lehnen die geplanten Strafzahlungen kategorisch ab. Der ungarische Regierungschef Orban will Asylbewerber außerhalb der EU warten lassen, bis über ihre Anträge entschieden ist. Entsprechende Abkommen mit Drittstaaten wie etwa Tunesien verlangen auch Italien und Österreich.
Andere Staaten wie Bulgarien, Dänemark oder die Niederlande könnten beim Gipfel ihre Forderung nach EU-Geldern für den Bau von Grenzzäunen erneuern. Dass die Migration beim Gipfel Thema wird, hätte Deutschland gerne vermieden. Die Ampelkoalition ist sich bekanntlich nicht einig. Vor allem viele Grüne finden, dass Innenministerin Nancy Faeser der Reform niemals hätte zustimmen dürfen. Und die Bundesregierung hofft, dass es dem Europaparlament gelingt, bei den Verhandlungen mit den EU-Staaten Verbesserungen für minderjährige Flüchtlinge durchzusetzen.
Das Geld
66 Milliarden Euro zusätzlich verlangt EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und verweist darauf, dass sich die Welt seit den Haushaltsverhandlungen 2019 dramatisch verändert habe. Die Corona-Pandemie, der russische Überfall auf die Ukraine und die galoppierende Inflation hätten die Ausgaben stark steigen lassen. Das frische Geld soll dafür sorgen, dass die EU die Ukraine weiter unterstützen, die Herausforderungen durch die Migration bewältigen und wichtige Technologie-Branchen fördern kann.
Die Mitgliedsstaaten sind über die Forderung allerdings nur mäßig begeistert und fragen sich, ob die Kassen in Brüssel - wie von der Leyen behauptet - tatsächlich schon leer sind. Wie immer dürften die selbsternannten "sparsamen Vier", also Dänemark, Schweden, Österreich und die Niederlande, auf der Bremse stehen. Aber auch die Finanzminister in Frankreich und Deutschland sagen: Wir haben aktuell keinen Cent übrig.
Die China-Politik
Die sollte eigentlich im Mittelpunkt bei diesem Treffen stehen, ist aber mal wieder wegen der aktuellen Ereignisse auf der Tagesordnung ein ganzes Stück nach hinten gerutscht. Viel Neues haben die Staats- und Regierungschefs sowieso nicht zu besprechen. Wie scharf sich Europa gegenüber der immer aggressiver auftretenden Weltmacht abgrenzen soll, ist nämlich nach wie vor umstritten.
EU-Kommissionschefin von der Leyen schlägt vor, Auslandsinvestitionen und Technologieexporte schärfer zu kontrollieren. Die EU solle sich nicht von China abkoppeln, aber das sogenannte De-Risking betreiben: Also einseitige und womöglich gefährliche Abhängigkeiten von chinesischen Lieferanten und Handelspartnern verringern. Zum Beispiel, wenn es um wichtige Rohstoffe oder Halbleiter geht.
Bundeskanzler Olaf Scholz wird von den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen berichten. Deutschland ist für eine ausgewogene Erklärung, die sowohl die Risiken anspricht als auch die Bereiche, in denen die EU auf eine Kooperation mit China angewiesen ist, etwa beim Klimaschutz.