EU-Rechtsstaatsbericht Viele Verstöße in Ungarn, Sorge um Slowakei
Erneut hat die EU ihre Mitglieder einem "Rechtsstaats-TÜV" unterzogen. Besonders im Fokus steht dabei Ungarn. Doch Sorgen macht sich die EU-Kommission auch um die Slowakei. Und auch Deutschland bekommt Verbesserungsvorschläge.
Die EU hat erneut die Rechtsstaatlichkeit seiner 27 Mitglieder auf den Prüfstand gestellt. Massive Verstöße gibt es demnach erneut in Ungarn: In dem Land gebe es ein "systemisches Problem" mit den Grundrechten, sagte Justizkommissar Didier Reynders bei der Vorstellung des Jahresberichts der EU-Kommission.
In ihrem fünften Rechtsstaatsbericht gibt die Kommission nach Angaben eines EU-Beamten eine "Rekordzahl" von acht Empfehlungen an die Regierung von Viktor Orban ab. Das ist politisch brisant, denn Ungarn hat in diesem Halbjahr den rotierenden EU-Ratsvorsitz inne. Verstöße gibt es in Ungarn nach Angaben von Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova bei allen vier Säulen der Rechtsstaatlichkeit: im Justizsystem, bei den Maßnahmen gegen Korruption, bei der Pressefreiheit sowie der Gewaltenteilung.
EU-Gelder für Ungarn eingefroren
Ungarn müsse "solide Nachweise über Ermittlungen, Strafverfolgung und endgültige Urteile bei Korruptionsfällen auf hoher Ebene" liefern, heißt es etwa in dem Länderbericht. Zudem müsse die Orban-Regierung die "redaktionelle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien" stärken und Gesetze aufheben, welche die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen einschränken.
Bereits vor einem Jahr hatte Justizkommissar Reynders dem Land "sehr große Abweichungen bei der Rechtsstaatlichkeit" bescheinigt. Die EU hatte deshalb in den vergangenen Jahren verschiedene Verfahren gegen Ungarn eingeleitet und Fördermittel auf Eis gelegt. 2023 wurde nach einigen Justizreformen lediglich eine Teilsumme freigegeben. Wegen verschiedener Grundrechtsverstöße - etwa beim Asylrecht - sind derzeit noch gut 20 Milliarden Euro an EU-Hilfen für Ungarn eingefroren, wie Reynders betonte.
Umstrittene Gesetze und Reformen in der Slowakei
Sorgenvolle Blicke richtet die EU auch auf die Slowakei. Wegen des Umbaus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befürchten Journalistenverbände hier staatliche Einflussnahme. Die EU-Kommission drohte dem Land zudem mit rechtlichen Schritten, sollte die Slowakei ein umstrittenes "Auslandsagenten-Gesetz" vorantreiben.
Dieses würde Nichtregierungsorganisationen wie Bürgerrechtsgruppen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhielten, zur Registrierung in einem entsprechenden Verzeichnis zwingen. Die EU befürchtet, diese Etikettierung könne eine abschreckende Wirkung auf die Slowaken haben. Kritiker wie manche NGOs werfen der slowakischen Regierung vor, zu wenig gegen Korruption zu tun.
"Ich war in Bratislava und habe mich sehr klar ausgedrückt", sagte Vizekommissionspräsidentin Jourova. Sollten die Pläne weiter verfolgt werden, werde umgehend ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Strengere Lobbyregeln für Deutschland angemahnt
Mit Blick auf Deutschland stellte der Rechtstaatsbericht der EU fest, dass die Bundesbürger gut vor willkürlicher Machtausübung der Regierung geschützt seien. Gleichzeitig sieht die Behörde aber weiter Verbesserungspotenzial in Bereichen wie Lobbykontrolle und Medienrechten.
Konkret empfiehlt sie, den Zeitraum zu verlängern, in dem Bundesminister und parlamentarische Staatssekretäre nach dem Ausscheiden aus dem Amt nicht in die Lobbyabteilungen von Unternehmen oder Verbänden wechseln dürfen.
Als Risiko sieht die EU-Kommission darüber hinaus die aktuelle Bezahlung von Richtern und Staatsanwälten in Deutschland. Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um ein angemessenes Vergütungsniveau sicherzustellen, heißt es in dem Bericht.