EU-Gipfel in Granada Polen und Ungarn auf Kontra-Kurs
Die EU-Mitglieder versuchen, sich beim Treffen in Granada weiter zusammenzuraufen - vor allem bei den Streitthemen Migration und EU-Erweiterung. Doch Polen und Ungarn bleiben Stolpersteine auf dem Weg zu möglichen Kompromissen.
Déjà-vu in Granada: Auch bei diesem EU-Gipfel stehen Polen und Ungarn bei der Migrationspolitik gegen die Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Ob beide Länder die gemeinsame Abschlusserklärung in diesem Punkt mittragen, ist ungewiss. Sie stemmen sich gegen die geplante Asylreform, auf die sich die EU-Regierungen Anfang Juni mehrheitlich verständigt haben.
Die sieht vor, Asylanträge von Migrantinnen und Migranten mit absehbar geringen Anerkennungschancen an den EU-Außengrenzen zu prüfen und abgelehnte Bewerber schneller in Herkunfts- und Transitländer zurückzuschicken. EU-Staaten, in denen besonders viele Asylsuchende ankommen, sollen entlastet werden.
In dieser Woche haben die EU-Regierungen das letzte Element des geplanten Pakets beschlossen - gegen die Stimmen von Warschau und Budapest. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban wettert: "Polen und Ungarn waren mit dem Vorschlag nicht zufrieden, aber sie haben uns gedrängt. Wir wurden komplett außen vorgelassen." Nun gebe es keine Chance mehr "für irgendeinen Kompromiss bei der Migration", kritisierte Orban weiter: "Das ist politisch unmöglich - weder heute, noch in den kommenden Jahren. Wir werden im rechtlichen Sinne vergewaltigt."
Polen verfolgt innenpolitische Ziele
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gab ganz offen zu erkennen, dass er in der Migrationsdebatte innenpolitische Motive verfolgt. Polen wählt am übernächsten Wochenende ein neues Parlament, und Warschau lässt die Bürgerinnen und Bürger gleichzeitig über den EU-Asylkompromiss abstimmen. In Granada greift der polnische Regierungschef Oppositionsführer Donald Tusk scharf an:
Alle hier geben zu, dass Tusks Partei den Asylpakt unterstützt. Wenn seine Partei an die Macht kommt, werden irreguläre Migranten zwischen verschiedenen Ländern verteilt. Polen stellt sich dem entschieden entgegen und ich habe das vielen Regierungschefs gesagt. Und interessanterweise stimmen mir viele zu - sie haben Angst vor dem Diktat aus Brüssel und Berlin. Wir haben keine Angst davor.
Scholz pocht auf Handlungsfähigkeit einer größeren EU
Auch Italiens Regierungschefin Georgia Meloni ist unzufrieden: Sie hat sich vor dem Gipfel darüber beschwert, dass Deutschland private Seenotretter im Mittelmeer unterstützt, was ihr Land zusätzlich belaste. Meloni traf sich am Rande des Gipfels mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Der begrüßte, dass die EU in Granada mit der Diskussion über eine Grundsatzfrage beginne: Wer sind wir und wenn ja - wie viele?
Der Bundeskanzler sprach sich nochmals für die Erweiterung der EU aus - um die Westbalkanstaaten, Moldau und die Ukraine. Voraussetzung sei aber, dass sich die EU zukunftsfähig mache und Beschlüsse etwa in der Außen- und Steuerpolitik vereinfache. "Wir müssen dann auch mit qualifizierten Mehrheiten Entscheidungen treffen können, damit die Souveränität und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gewährleistet ist", mahnte Scholz und fügte hinzu: "Die Bürgerinnen und Bürger erwarten ja auch, dass wir Probleme lösen und nach außen handlungsfähig sind. Das ist etwas, was wir dann auch sicherstellen müssen."
Ungarn auch gegenüber Ukraine-Beitritt skeptisch
EU-Ratspräsident Charles Michel spricht vom Ausgangspunkt einer längeren Debatte. Eine EU-Erweiterung bedeute, dass die Kandidatenländer Reformen umsetzen müssten, betonte er: "Sie wissen, was sie zu tun haben - und wir müssen uns auf EU-Seite vorbereiten. Das ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass wir auf oberster Ebene über eine so entscheidende Frage debattieren."
Ungarns Regierungschef Orban stellt sich auch beim Thema Erweiterung quer. Jedenfalls, wenn es um die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine geht. Vorher müsse geklärt werden, was das für Landwirtschaft, Sicherheit und die Verteilung von Fördermitteln in der Gemeinschaft bedeute, erklärte Orban. Außerdem habe die EU noch nie ein Land aufgenommen, das sich im Krieg befindet.