EU-Beitrittsperspektive für Ukraine Die symbolische Geste rückt näher
Die Chancen der Ukraine stehen gut, schon bald EU-Beitrittskandidat zu sein. Der Staatengemeinschaft geht es vor allem darum, ein Zeichen der Hoffnung zu setzen - mehr vorerst nicht.
Ist die Ukraine schon bald ein EU-Beitrittskandidat? Es deutet viel darauf hin. In Brüssel - und auch in Berlin - wird jedenfalls fest damit gerechnet, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihrem Gipfel Ende der Woche den Weg für diesen Schritt freimachen. So empfiehlt es auch die EU-Kommission. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagt:
Wir sind immer für Überraschungen gut. Aber hier ist es ernst. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt ein Land ausschert.
Die EU steht vor einem historischen Moment, sie muss den Menschen in der Ukraine und in der Republik Moldau schnell ein klares Zeichen der Hoffnung geben - diese Erkenntnis hat sich inzwischen offenbar auch bei den Skeptikern durchgesetzt, wie etwa in den Niederlanden.
Vor allem eine symbolische Geste
"Ich finde es positiv", sagt der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra, "dass die EU-Kommission mit einem sehr ausgewogenen Vorschlag gekommen ist, mit dem der geopolitischen Realität Rechnung getragen wird, denn die hat sich völlig verändert. Wir leben in einer Zeit, in der Einigkeit das oberste Gebot ist."
Einig scheint sich die EU auch darin zu sein, dass die Verleihung des Kandidatenstatus' vor allem eine symbolische Geste ist. Bis die Ukraine und Moldau tatsächlich Teil der EU werden können, dürfte es nämlich noch Jahre dauern, wenn nicht Jahrzehnte. Denn der Beitritt ist an durchgreifende Reformen geknüpft, etwa in Sachen Korruptionsbekämpfung, Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit.
Aber auch die Europäische Union sollte sich vor der nächsten Erweiterungsrunde reformieren, glaubt die deutsche Außenamtschefin Annalena Baerbock - und denkt dabei unter anderem an das Ende des Einstimmigkeitsprinzips in der Außen- und Sicherheitspolitik. "Klar ist für uns auch: Es gilt jetzt nicht nur, mehr Stühle in den europäischen Kreis zu stellen, sondern wir müssen gemeinsam die europäische Union stärken", so Baerbock.
Wir haben auf dramatische Art und Weise erlebt, dass wir unsere Sicherheits- und Außenpolitik ausbauen, vertiefen und vor allem stärken müssen.
Europa-Frust auf dem Balkan
Dass der Weg nach Europa sehr steinig sein kann, diese Erfahrung machen die Länder des Westbalkans schon seit einiger Zeit. Nordmazedonien etwa ist seit 2005 Beitrittskandidat, wartet aber bis heute auf den Beginn der Verhandlungen. Die Ukraine auf der Überholspur, der Balkan auf dem Abstellgleis? Diesen Eindruck muss die Europäische Union unbedingt vermeiden, verlangt Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg.
Russlands Präsident Putin warte nur darauf, aus dem wachsenden Europa-Frust in Serbien, Bosnien-Herzegowina und anderswo politischen Profit schlagen und seinen Einfluss in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU weiter ausbauen zu können. Schallenberg meint: "Russland hat Destabilisierungspotenzial weit über die Ukraine hinaus. Und vielleicht ist der Blick Moskaus nicht nur auf den Donbass und Mariupol gerichtet, sondern auch auf die Republika Srpska und andere Orte."
Debatte um Nahrungsmittelkrise
Zunehmend Sorge machen den Außenministerinnen und -ministern der EU die katastrophalen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die weltweite Versorgung mit Lebensmitteln. Überall steigen die Preise, Getreide wird knapp. Weil Russland die ukrainischen Häfen blockiert, können Millionen Tonnen Weizen nicht ausgeliefert werden. EU-Chefdiplomat Josep Borrell wirft Moskau vor, gezielt Hungersnöte zu schüren. Nahrungsmittel als politisches Druckmittel zu missbrauchen sei ein echtes Kriegsverbrechen.
Die deutsche Bundesregierung will bei einer internationalen Konferenz am 24. Juni in Berlin darüber beraten, wie Getreide-Exporte aus der Ukraine möglich gemacht werden können - und wie sich die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln insgesamt verbessern lässt.