Ukraine will in die EU Warnung vor einem überstürzten Beitritt
Angesichts des russischen Angriffskrieges stellt sich kein Politiker gegen einen EU-Beitritt der Ukraine. Es gibt aber durchaus Zweifel am hohen Tempo - und Sorgen vor einer Ungleichbehandlung der EU-Aspiranten.
Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten empfohlen, die Ukraine zusammen mit dem Nachbarland Republik Moldau als EU-Beitrittskandidaten zu akzeptieren. Im Parlament der Union werden allerdings Zweifel am hohen Tempo laut.
Die stellvertretende EU-Parlamentspräsidentin Katarina Barley warnte vor Abstrichen bei den Aufnahmekriterien. "Überstürzte Beitritte darf es nicht geben. Wer einmal in der EU ist, kann nicht ausgeschlossen werden", warnte die SPD-Politikerin in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Das sehe man derzeit am Beispiel Ungarns, das die Rechtsstaatlichkeit systematisch aushöhle. "Umso wichtiger ist es, dass die für einen Beitritt festgelegten Kriterien wie zum Beispiel institutionelle Stabilität, funktionierende Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit voll und ganz erfüllt werden."
Barley verweist warnend auf das Beispiel Ungarns.
Dennoch sprach Barley von einem richtigen Entgegenkommen. "Der Kandidatenstatus wäre ein wichtiges Signal in Richtung Moskau, dass sich die EU nicht einschüchtern lässt, wenn es darum geht, unsere Werte zu verteidigen", sagte Barley. Die damit verbundenen Anforderungen dürften aber nicht zu locker ausgelegt werden. Das sei auch mit Blick auf andere Beitrittskandidaten wichtig, die teils schon seit Jahren darauf warteten, dass ihre Verfahren vorangingen. "Denen sind wir eine Gleichbehandlung schuldig", betonte Barley.
"Viel Zeit, viel Kraft und viel Anstrengung"
Ähnlich klingt der Tenor von David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments. Der CDU-Politiker sprach vom Beginn eines langen Prozesses. "Mitglied der Europäischen Union zu werden, erfordert viel Zeit, viel Kraft und viel Anstrengung", betonte McAllister im Bayerischen Rundfunk.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe es zurecht so formuliert, dass es auch ein Zeichen der Anerkennung sei "für die tapferen Menschen in der Ukraine, die nicht nur für ihr Land, sondern für unsere europäischen Werte kämpfen", so McAllister. Die Ukraine müsse näher an den Binnenmarkt herangeführt werden.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder beraten kommende Woche über den Status der Ukraine und den Zeitplan für eine eventuelle Aufnahme.
Scholz möchte Einstimmigkeit
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich für eine klare europäische Perspektive für die Ukraine aus. "Jetzt geht es darum, dass wir die Solidarität auch mit einer Perspektive verbinden, mit einer Aussicht", sagte Scholz in einer Videobotschaft. Der Kanzler hatte sich bei seinem Besuch in Kiew gemeinsam mit dem französischen Präsident Emmanuel Macron, dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis hinter den Wunsch der ukrainischen Regierung gestellt.
"Viele kämpfen in der Ukraine für Freiheit und Demokratie, sie wollen wissen, dass das nach Europa führt", sagte Scholz im neuen Format "Kanzler kompakt". Daher werde er versuchen, im Europäischen Rat am Donnerstag die erforderliche Einstimmigkeit für den Kandidatenstatus zu erreichen. Scholz kündigte zudem Hilfe beim Wiederaufbau der Ukraine und weitere Waffenlieferungen an.