Regierungserklärung im britischen Parlament Cameron muss sein EU-Veto erklären
Mit seinem Veto auf dem EU-Gipfel hat sich der britische Premier Cameron innerhalb der europäischen Gemeinschaft isoliert. Und auch in seiner Heimat erntete er nicht nur Zustimmung. So zeigte sich sein Stellverteter "bitter enttäuscht". Jetzt wirbt Cameron im Parlament für seinen EU-Kurs.
Von Sebastian Hesse, MDR-Hörfunkstudio London
Zwei Tage hat er gezögert, dann aber umso effektvollere Worte gefunden: "Bitter enttäuschend", nannte Nick Clegg, der Chef der Liberaldemokraten und Vizepremierminister, das EU-Veto seiner eigenen Regierung. Er sehe die akute Gefahr, dass Großbritannien jetzt in Europa isoliert wird und an Gewicht verliert.
Sein harscher Vorwurf beherrschte die britischen Nachrichten am Sonntag. David Camerons kompromisslose Haltung sei "nicht gut" für den Arbeitsmarkt, den Finanzsektor und die Familien im Lande, so Clegg in der BBC. Dabei hatte der Liberaldemokrat zunächst am Freitag noch knapp verlauten lassen, Camerons Position sei die der gesamten Regierung.
Auch aus den Reihen von Camerons eigener, konservativer Partei waren kritische Stimmen zu hören. Justizminister Ken Clarke, einer der wenigen engagierten pro-europäischen Konservativen, bezeichnete den Kurs seines Chefs als "enttäuschend" und "höchst befremdlich". Doch Clarke ist ein Außenseiter im Kabinett und in der Partei.
Dagegen verteidigten Camerons treue Weggefährten ihn über das Wochenende. Die gesamte Regierung habe im Vorfeld die britischen Bedingungen für eine Zustimmung mitgetragen, betonte Außenminister William Hague. Diese Bedingungen seien in Brüssel nicht erfüllt worden und daher habe Cameron richtig gehandelt.
Und Finanzminister George Osborne behauptete gar: "Wir treten nicht aus. Wir beschützen die EU als Institution, die allen 27 Mitgliedsstaaten zugute kommt." Großbritannien werde immer mit am Tisch sitzen, wenn es um britische Belange gehe. Und Osborne legte nach: "Wenn die anderen 26 Staaten enger zusammenrücken wollen, dann sollen sie das bitte außerhalb der EU-Institutionen machen."
Es ist zu vermuten, dass Cameron heute Nachmittag ähnlich argumentieren wird, wenn er im Parlament eine kurze Regierungserklärung zu seinem Veto abgibt.
"Das war ein schlechter Deal für Großbritannien"
Die oppositionelle Labour-Partei dagegen bemüht sich, den Spaltkeil weiter in die Koalition zu treiben. Parteichef Ed Miliband gab Nick Clegg demonstrativ recht: "Das war ein schlechter Deal für Großbritannien. Künftig werden wir vor der Tür bleiben, wenn wichtige europäische Wirtschafts-Entscheidungen getroffen werden."
Beim britischen Wähler scheint der Cameron-Kurs jedoch anzukommen. In der Umfrage der regierungsfreundlichen "Daily Mail" zum EU-Veto sagten 62 Prozent der Befragten, der Premier habe richtig gehandelt. Und nur 19 Prozent sprachen sich dagegen aus. Die gleiche Erhebung ergab, dass gegenwärtig knapp die Hälfte der Briten einen EU-Austritt befürwortet. Und nur 33 Prozent sprachen sich für einen Verbleib aus. Rund zwei Drittel der Briten sind überzeugt, dass der Euro gescheitert ist. Und 70 Prozent finden, der dramatische EU-Gipfel habe Deutschland zu mächtig in Europa gemacht.