Großbritannien ohne Euro Kein erfolgreicher Sonderweg
Vor zehn Jahren wurde in vielen Staaten Europas der Euro eingeführt. Nicht so in Großbritannien: Das Königreich entschied sich dafür, am Pfund festzuhalten. Auch wenn Premierminister Cameron dies als Erfolg feiert: Viele Vorteile hat dieser Sonderweg den Briten nicht gebracht.
Von Sebastian Hesse, MDR-Hörfunkkorrespondent London
Wenn Großbritanniens Regierungschef David Cameron eine unerschütterliche Grundüberzeugung hat, dann diese: "Geht es uns besser außerhalb der Euro-Zone?", fragt er. "Darauf können Sie wetten!"
Zehn Jahre nach dem Start der Währungsunion teilen zwei Drittel von Camerons Landsleuten diese Ansicht. Etwa Daniel, der trotz düsterer Konjunkturprognosen fröhlich auf der Londoner Oxford Street shoppt: "Ich bin glücklich, dass Großbritannien der Einheitswährung nicht angehört", sagt er, "und ich glaube, dass auch die Deutschen und die Franzosen lieber draußen wären!"
Ähnlich sieht es Nathalie, die ebenfalls zwischen den Jahren shoppen geht. "Wir sollten dem Euro nicht beitreten, sondern wie die Schweiz mit der Euro-Zone Handel treiben", meint sie. "Also unabhängig bleiben und uns nicht aus Brüssel, Deutschland oder Frankreich fremdbestimmen lassen!"
"Solange ich Premier bin, werden wir nicht den Euro einführen!"
Ginge es allein um die Europa-Politik, so müssten Daniel und Nathalie zufrieden sein mit der Regierung in Whitehall: "Solange ich Premier bin, werden wir niemals den Euro einführen!", verspricht Cameron. Auf der psychologischen Ebene mag das den Briten Genugtuung verschaffen, doch ökonomisch hat sich ihr Land im zurückliegenden Jahrzehnt keineswegs anders entwickelt als der Rest Europas. Bis 2008 lief es erfreulich, mit sinkender Arbeitslosigkeit und steigendem Bruttoinlandsprodukt. Und dann kamen Bankenkrise und Rezession.
Die Labour-Regierung unter Gordon Brown machte Rekordschulden, um die angeschlagenen Kredithäuser vor dem Untergang zu bewahren. Anfang 2010 hatte die Brown-Regierung das größte Defizit zu verantworten, das es in Großbritannien je zu Friedenszeiten gab: Zwölf Prozent betrug das Haushaltdefizit und damit mehr als das Vierfache der Maastricht Obergrenze: Großbritannien spielt seither in der Liga der Euro-Schlusslichter Griechenland und Irland. Wegen der starken Abhängigkeit vom Finanzsektor traf die Rezession die Insel härter und dauerhafter als andere europäische Staaten: Sechs Quartale in Serie schrumpfte die Wirtschaft. Und die seit dem Regierungswechsel hin zu David Cameron versprochene Erholung lässt weiter auf sich warten.
Bank of England warnt vor niedrigem Wachstum
"Das Wachstum wird vorerst äußerst gering ausfallen, wenn es denn überhaupt welches gibt", verkündete unlängst der mächtige Chef der Bank of England, Sir Mervyn King. Für das bis April andauernde laufende Geschäftsjahr ist die Prognose auf 0,9 Prozent herunter korrigiert worden. Die hohe Inflationsrate von um die fünf Prozent wird sich vermutlich bis 2014 halten. Und die Cameron-Regierung hat sich von ihrem Ziel, bis zum Wahljahr 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, verabschiedet.
Cameron beschwört jedoch weiterhin den Mythos von der Erholung aus eigener Kraft: "Wenn wir ein Euro-Land wären, befänden wir uns mit unserem Elf-Prozent-Defizit in einer recht drastischen Lage", sagt der Regierungschef, "so können wir selber die Ärmel hochkrempeln und unsere Probleme auf unsere Weise lösen".
Wohl und Wehe des Pfunds eng mit Eurozone verknüpft
Noch deutet jedoch wenig darauf hin, dass die britische Selbstbestimmtheit auch eine effektvollere Rezessionsbekämpfung bedeutet. Zumal Wohl und Wehe der Insel so eng verknüpft sind mit der Euro-Zone, dass eine augenfällig andere Entwicklung schwer vorstellbar ist.
"50 Prozent unserer Exporte gehen nach Europa, 40 Prozent in die Euro-Zone", weiß Cameron. "Es ist nicht in unserem Interesse, wenn der Euro untergeht!" Und so wird auf der Insel weiter mit Pfund bezahlt und man pflegt den Mythos der Selbstbestimmtheit. Doch einen erfolgreicheren Sonderweg hat Großbritannien seit der Euro-Einführung nicht bestritten.