Rahmenabkommen mit der EU Die Schweizer zieren sich
Die EU will Klarheit und Verbindlichkeit in den Beziehungen zur Schweiz. Nun liegt das Rahmenabkommen dazu vor. Doch in der Schweiz gibt es weiter viele Vorbehalte.
Ist der EU Schweizer Käse bald nur noch Wurst? So könnte es kommen, wenn der Streit zwischen Brüssel und Bern mit einem großen Knall endet. Die Folge: Die Schweiz wäre im schlimmsten Fall abgekoppelt vom Nachbarn EU, stünde am Ende vielleicht sogar schlechter da als Großbritannien nach dem Brexit.
Die EU zeigt der Schweiz die Hörner. "Rosinenpickerei wollen wir nicht", warnen EU-Diplomaten. Bisher hörte man Derartiges nur in Zusammenhang mit Großbritannien. Bisher ist es auch nur eine Drohung der EU. In sechs Monaten könnte sie aber Gestalt annehmen.
Ein EU-Kommissar aus dem Schweizer Nachbarland Österreich macht den Eidgenossen das Leben schwer. Johannes Hahn, zuständig für EU-Erweiterung und Nachbarschaft, möchte den großen "Swiss Deal" endlich zum Abschluss bringen. Das Abkommen soll die Nachbarschaft zuverlässiger definieren als bisher: "Die Welt dreht sich weiter, und wir als Union ordnen unser Verhältnis zu einer Reihe von internationalen Partnern neu."
Mehr Verbindlichkeit von der Schweiz
Wenn die Schweiz auch kein EU-Mitglied ist, so ist sie aber doch eng angebunden. All diese Fäden könnten reißen, falls die Schweiz nicht mitzieht, wenn Brüssel die Verhältnisse auch zur Eidgenossenschaft neu ordnen will.
Hahn will endlich mehr Schweizer Verbindlichkeit und dauerhafte Rechtssicherheit "in jenen Bereichen, in denen die Schweiz Zugang zum Binnenmarkt von einer halbe Milliarde Menschen hat". Dazu gehören Import und Export von Waren und Dienstleistungen, Direktinvestitionen und die Zuwanderung. Faktisch ist das Nicht-EU-Mitglied Schweiz inzwischen fast genauso stark in die EU "integriert" wie Deutschland.
Unter Schweizer Abgeordneten im Berner Bundeshaus gibt es viele Bedenken.
Aber hakelig waren die Beziehungen immer. Schon vor vier Jahren standen sie auf dem Prüfstand. Die Schweiz wollte EU-Bürger benachteiligen, aber den Binnenmarkt behalten. Am Ende ruderte sie zurück, als die EU das nicht akzeptieren wollte.
Damit in Zukunft alles runder läuft, soll sich die Schweiz verpflichten, Unionsrecht "dynamisch" zu übernehmen. Das Stichwort heißt Rahmenabkommen. Es soll 120 Einzelverträge ersetzen und auch nicht immer neue Verhandlungen über Einzelfragen erforderlich machen. Die Schweizer Wirtschaft sieht daran nichts Anstößiges, denn "EU-Marktzugang ist eine ganz wichtige Voraussetzung", warnte unlängst der Schweizer Wirtschaftrsfunktionär und Ex-Handballspieler Heinz Karrer im Schweizer Fernsehen SRF.
Wer schlichtet im Streitfall?
Viele EU-kritisch eingestellte Schweizer Politiker wie Lukas Reimann von der Schweizerischen Volkspartei sehen das nicht ohne Vorbehalt: "Am Schluss wird die Schweiz EU-Recht unterstellt und wird faktisch EU-Mitglied, ohne dass die Schweiz Mitglied ist und mitbestimmen kann." Die Schweiz an die EU gebunden, aber ohne Mitsprache und Einfluss? Seit vier Jahren laufen die Verhandlungen um ein Rahmenabkommen mit der EU.
Ein heikler Punkt bleibt für die Schweiz, dass es keine Nachteile für EU-Bürger in der Schweiz geben darf. Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, wer im Streitfall entscheidet. Bestimmt in Zukunft nur der Europäische Gerichtshof, wie es in der Schweiz laufen muss? "Er entscheidet über das EU-Recht in dem Rahmenabkommen. Davor gibt es aber ein Schiedsverfahren", erklärte unlängst die Schweizer Europarechtsprofessorin Christa Tobler.
Auch für den EU-Kommissar Hahn ist klar, "dass der Europäische Gerichtshof natürlich die Endzuständigkeit vom Gemeinschaftsrecht in allen Bereichen hat, in denen die Schweiz am Binnenmarkt teilnimmt".
Viele EU-Gegner kritisieren, im geplanten Rahmenabkommen finde sich kaum noch "original Schweizer" Recht. Das Gegenargument der EU lautet: Das Rahmenabkommen definiere ja nicht alles, was in der Schweiz recht und billig sein soll. Es gehe nur um gleiche Spielregeln für alle.
Wer am Ende der Spielverderber ist, bleibt unklar. Das Rahmenabkommen liegt inzischen vor, der Schweizer Bundesrat will innenpolitisch aber noch mal konsultieren und beraten. Die EU gibt dem Land noch sechs Monate, um zu einem Entschluss zu kommen. Auch an anderer Stelle mach sie Druck: Die Anerkennung der Schweizer Börsen für den EU-Handel wurde nur um sechs Monate verlängert.