EU-Ausweisung von Russen Putins Freunde und Skeptiker sind uneins
Mehr als 20 Staaten wollen russische Diplomaten ausweisen. Dieses diplomatische Instrument soll Unmut ausdrücken. Aber es ist eine schwache Maßnahme - und zeigt die Risse in der EU.
Beim EU-Gipfel Ende vergangener Woche wurden die Weichen gestellt: Eine konzertierte Aktion sollte es sein, auch wenn sie noch nicht beim Namen genannt wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte den Briten Unterstützung zu. Auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der eigentlich längst hätte auf einen russlandfreundlichen Kurs einschwenken wollen, versprach der britischen Premierministerin Theresa May praktizierte Solidarität.
Man einigte sich auf Diplomatenausweiungen - und versucht sie jetzt durchzusetzen, wenngleich die von May beschworene Geschlossenheit der EU nur halbherzig erreicht wurde. Kurz beherbergt zwar in Wien eine sehr große russische Botschaft - hier trafen sich schon zu Zeiten des Kalten Krieges Geheimdienstler aus Ost und West, aber mitmachen bei der Aktion wollte er dann doch lieber nicht: "Österreich ist eine Brücke zwischen Ost und West und soll es bleiben".
Eigene "nationale Maßnahmen" wollte er nicht umsetzen, die EU habe mit dem Rückruf ihres Moskauer Botschafters allen Erfordernissen genüge getan. So etwas erbost jene EU-Staaten, die im Ruf stehen, nicht weniger russlandfreundlich zu sein als Österreich, sich aber dann doch mühevoll bereit erklärten, wenigstens jeweils einen russischen Diplomaten vor die Tür zu setzen: Italien und Ungarn.
Österreichs Kanzler Kurz will bei der Frage der Ausweisung von russischen Diplomaten auf "nationale Maßnahmen" verzichten.
Zwischen freundschaftlich und skeptisch
Durch die EU zieht sich jetzt ein Riss zwischen den "Putin-Freunden" (Österreich, Griechenland), den "kritischen Freunden" (Ungarn, Italien) und dem großen Rest der "gesprächsbereiten Russland-Skeptiker", wie es ein französischer EU-Diplomat formulierte. Zu diesen Ländern zählen Deutschland und Frankreich.
Die öffentliche Wahrnehmung von "Massenausweisungen" russischer Diplomaten nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Australien täuscht aber über die wahren Verhältnisse hinweg, wenn man sich die einzelnen Staaten genauer ansieht - vor allem in Europa mit traditionell starken Russland-Banden: Aus Deutschland müssen gerade einmal vier Diplomaten gehen. In Ungarn ein einziger Diplomat. Dabei handelt es sich durchweg nicht um politisch relevantes Spitzenpersonal, sondern meistens um nachrangige Dienstgrade.
Auch das konsularische Geschäft - Stichwort: Visa - soll nicht beeinträchtigt werden. In der Regel handelt es sich um Botschaftsmitarbeiter, die als Residenten russischer Sicherheits- und Geheimdienste stationiert sind - den Gastländern meistens trotz Tarnnamen wohlbekannt. Sie sind in der Regel geduldet. Es gibt ein gegenseitiges Einvernehmen, weil die eigene Seite nichts anderes tut.
Noch keine echten Sanktionen
Diese "Diplomaten" gehören zur Spielmasse bei Ausweisungen. Sie sind es gewöhnt, schnell wieder gehen zu müssen. Deshalb ist das Instrument der Diplomatenausweisungen traditionell ein sehr schwaches und offiziell sogar recht höfliches Instrument, um Unmut kund zu tun und vor allem zum Dialog anzuregen.
So steht es sogar in den Erläuterungen zur UN-Konvention über diplomatische Beziehungen, die vor fast 60 Jahren auch die Diplomatenausweisungen genau geregelt hat. Weil die Botschafter bleiben dürfen, reißen auch die Gesprächskanäle nicht ab. Echte Sanktionen oder Bestrafungen beginnen erst, wenn Botschafter ausgewiesen oder diplomatische Beziehungen abgebrochen werden.
Alles andere sind relativ weiche Druckmittel, die bewusst kein Porzellan zerschlagen sollen. Und so wird es wohl auch in Moskau ankommen. Dort wird man aber genau hinschauen, wer in der EU nicht einmal hier mitmachen will - zum Beispiel Österreich.
Wien könnte also - auch wenn es viele in der EU ärgert - bald zur Nahtstelle für eine zögerliche Annäherung zwischen beiden Seiten werden. Hier laufen viele Fäden zwischen der EU, Russland und den USA zusammen. Und russische "Spione", um das Ganze einzufädeln, darf es in Wien ja noch geben.