Neue EU-Standards Gegen raue Sitten im Trucker-Geschäft
Mehr Lohn, neue Sozialstandards, Unterkünfte entlang der Route: Die EU-Verkehrsminister haben sich mehrheitlich auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen von Lkw-Fahrern geeinigt.
Mehr als 15 Stunden wurde verhandelt - bis in die Nacht. Am frühen Morgen gab es dann ein Ergebnis. "Es ist wirklich etwas Außergewöhnliches erreicht worden", freute sich EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulz. Zufrieden war auch Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer. "Nach dem Beschluss sind sich viele um den Hals gefallen. Da ist eine große Sache gelungen", sagte er.
Österreich hat den EU-Vorsitz inne. Und das Land hatte auf eine Lösung gedrängt, die der Alpenrepublik nach hakeligen Anfängen auch eine neue Reputation in der EU verschaffen soll. Die Ratspräsidentschaft erlaubt es einem Land innerhalb eines halben Jahres, mehr als alle anderen Mitgliedsländer die Agenda der EU zu bestimmen. Allerdings waren es vor allem Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Schweden und Luxemburg, die Druck gegen raue Sitten im Trucker-Geschäft machten.
Die neuen Standards für Kraftfahrer sollen auch überfüllte Autobahnparkplätze beseitigen.
Absolutes Kabinenschlafverbot
"Die Lebensbedingungen von zwei Millionen Kraftfahrern werden jetzt deutlich verbessert", sagte Hofer. Mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer und neue Sozialstandards, die wohl das ganze Leben der Fahrer umkrempeln werden - am Tag und in der Nacht. Übernachtungen in den Führerhäusern sollen nicht mehr erlaubt sein - die Spediteure müssen in Zukunft für Unterkünfte in Hotels, Pensionen oder angemieteten Wohnungen entlang der Route sorgen.
"Es gibt ein absolutes Kabinenschlafverbot", sagte der österreichische Verkehrsminister in der Nacht: "In der ganzen EU, und zwar ohne Ausnahme." Dadurch soll es auch weniger nächtliches Chaos auf vielen Raststätten und an den Zufahrten geben, die bisher noch für Übernachtungen im Fahrzeug angesteuert werden. "Wir wollen ein Ende des Nomadentums in Europa", so Hofer.
Für gleiche Arbeit am gleichen Ort gleicher Lohn
Noch folgenreicher sind aber andere Neuerungen. Die EU will gegen Sozialdumping und unlauteren Wettbewerb im Transportgewerbe vorgehen. Für gleiche Arbeit am gleichen Ort soll gleicher Lohn für alle gelten - egal aus welchem Land die Fahrer kommen. Sie dürfen auch nur maximal vier Wochen am Stück in Europa unterwegs sein und müssen anschließend nach Hause zurückfahren oder eine längere Pause einlegen.
Rund zwei Millionen Lkw-Fahrer in der EU müssen sich auf diese neuen Regeln einstellen.
Der Beschluss der EU-Verkehrsminister in Brüssel ist nur der erste Schritt. Das Europaparlament muss den Verbesserungen für Lkw-Fahrer noch zustimmen.
Kritik aus Polen
Frankreichs Verkehrsministerin Elisabeth Borne war zufrieden nach einer langen Verhandlungsnacht. "Ich denke, das ist eine Vereinbarung, die für Lkw-Fahrer echte Verbesserungen bringt - eine Vereinbarung, die die Arbeitnehmer besser schützt", sagte sie.
Nicht zufrieden ist Polens Verkehrsminister Andrej Adamczyk: "Es gibt noch Verhandlungsspielraum, und ich möchte, dass er genutzt wird. Das, was heute beschlossen wurde, kann uns nicht zufrieden stellen. Einige Länder haben dagegen gestimmt."
EU-Parlament muss noch zustimmen
Der Beschluss der Minister in Brüssel ist nur der erste Schritt. Das Europaparlament muss noch zustimmen. Vor allem Rumänien, Polen und Bulgarien fürchten jetzt um Aufträge für ihre Spediteure, die ihre Fracht bisher noch oft viel billiger durch Europa fahren können als etwa ihre deutschen und französischen Kollegen.
Deutschland, Frankreich, Österreich und andere EU-Länder wollten sich mit den bisherigen Arbeitsbedingungen aber nicht mehr abfinden. Versuche, hier etwas zu ändern, gab es schon viele - bisher waren sie nie erfolgreich. Das hat sich jetzt geändert.