Weniger Regulierung EU-Parlament will Regeln für neue Gentechnik lockern
Das EU-Parlament will die Vorschriften für den Einsatz neuer Gentechnik in der Landwirtschaft lockern. Es fordert aber, dass alle Lebensmittel aus Gentechnik im Supermarkt gekennzeichnet werden.
Es war eine kontroverse Debatte im Parlament, der eine lange Abstimmungsrunde folgte. Mehr als 300 Änderungsanträge waren dazu eingegangen. Und am Ende steht die Zustimmung des Parlaments. Und das bedeutet: Gentechnik dürfte mit den gelockerten Regeln künftig deutlich häufiger zum Einsatz kommen. Denn es wäre mit ihnen deutlich einfacher, mit den modernen Verfahren neue Züchtungen zu erschaffen - also Pflanzen, bei denen gezielt eigene Gene verändert wurden.
Riesige Chance oder Horrorszenario?
Eine riesige Chance auch für die deutschen Landwirte, sagt der CDU-Abgeordnete Peter Liese: "Man kann damit den Ertrag steigern und auf Pflanzenschutzmittel verzichten. Ich bin fest davon überzeugt: Es gibt keine unverantwortlichen Risiken. Es werden ja auch keine fremden Gene in diese Pflanzen eingeführt - im Gegensatz zur konventionellen Gentechnik." In anderen Ländern werde dieses Verfahren schon genutzt. "Irgendwelche Horrorszenarien sind allein deshalb nicht relevant, weil sie sich dort nicht gezeigt haben."
Das sieht vor allem die Fraktion der Grünen im Europaparlament anders. Sie sieht vor allem die Agrarlobby am Werk. Die neuen Regeln seien quasi ein Konjunkturprogramm für die großen Player wie Bayer mit seiner Konzerntochter Monsanto, kritisieren sie.
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Martin Häusling, erklärt: "Ja, die Technik soll den Hunger bekämpfen, sie soll für weniger Pestizide sorgen. Aber schauen Sie doch mal nach Südamerika, da hat die alte Gentechnik mehr Pestizide gebracht. Und das wird mit der jetzigen auch passieren."
Verbraucher bleiben im Unklaren
Konkret ist vorgesehen, dass bei der neuen Gentechnik in zwei Kategorien gearbeitet wird. In der ersten Kategorie sollen neue Sorten mit bis zu 20 genetischen Veränderungen weitgehend wie herkömmliche Pflanzen behandelt werden. Für Pflanzen mit mehr genetischen Eingriffen gelten dagegen weiter strengere Vorschriften.
Die erste Kategorie würden Verbraucherinnen und Verbraucher laut dem Vorschlag der Kommission kaum noch erkennen. Für sie gilt: Nur noch das Saatgut muss gekennzeichnet werden. Die Produkte im Supermarkt müssten dagegen kein Label mehr tagen, das den Einsatz von Gentechnik ausweist.
Nicht fair, findet die umweltpolitische Sprecherin der SPD im Europaparlament, Delara Burkhardt: "Geht es nach der Kommission dürfen die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen bald ohne Risikoprüfung und ohne Kennzeichnung auf den Tellern der Verbraucherinnen und Verbraucher landen. Die Menschen werden also im Supermarkt nicht mehr selber entscheiden können, was für Produkte sie kaufen wollen."
Das Parlament fordert nun zumindest eine Kennzeichnungspflicht für alle Produkte auf Basis der neuen Gentechnik.
Parlamentarier fürchten internationale Konkurrenz
Der südtiroler EVP-Abgeordnete Herbert Dorfmann, Mitglied im Agrarausschuss, verteidigt das Gesetz: "Wir haben natürlich mehrere Optionen: Wir können nichts tun, das wäre das wahrscheinlich angenehmste. Aber dann würden wir damit auch eine Grauzone schaffen und wir würden riskieren, dass der Rest der Welt vorausgeht. Dann würden diese Produkte importiert und ich denke, dass ist nicht der Weg, der im Sinne der Bauern sein kann."
Nach dem grünen Licht aus dem Parlament werden aber sicher in den anstehenden Verhandlungen mit den 27 Mitgliedsländern noch viele kontroverse Debatten zu führen sein.