Treffen der EU-Agrarminister Durchbruch für Gentechnik in der Landwirtschaft?
Bislang gibt es in der EU keine klare Linie zu Nutzung, Import und Anbau gentechnisch modifizierter Pflanzen. Das will Brüssel ändern. Heute beraten die Agrarminister den Vorschlag der Kommission.
In Brüssel steht der Durchbruch für die Gentechnik in der Landwirtschaft bevor - mit Sicherungsmaßnahmen für Öko-Bauern. Die zuständigen Ressortchefs der Mitgliedstaaten beugen sich nicht das erste Mal über dieses heikle Thema und über einen Vorschlag der EU-Kommission, der in Punkto Sicherheit nachgebessert werden soll.
Bislang pendelte die Debatte ohne viel Bewegung zwischen großen Erwartungen und Umweltängsten. Doch die Entscheidung der EU, das Pestizid Glyphosat trotz vieler Bedenken zu verlängern, gibt auch der Gentechnik-Diskussion eine neue Richtung. Die EU-Mitgliedsstaaten wollen bei diesem Thema weiterkommen, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und bei großer Konkurrenz.
Widersprüchliche Regeln in Mitgliedstaaten
Als "grüne Gentechnik" wird der Einsatz genetisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft und im Lebensmittelsektor bezeichnet. Im Juli hatte die EU-Kommission genug von widersprüchlichen Regeln in den Mitgliedsländern und absurden Notlösungen beim Einsatz der Gentechnik bei Lebens- und Futtermitteln.
Sie hatte Vorschläge für klare Regeln vorgelegt: Pflanzen, die mit "neuen genomischen Techniken" (NGT) gezüchtet werden, sollen konventionell gezüchteten Pflanzen praktisch gleichgestellt werden. Dadurch soll auch der Einsatz neuer Verfahren wie der Genschere CRISPR/Cas in der EU zur Normalität werden.
Der Brüsseler Entwurf will den Mitgliedstaaten künftig nicht gestatten, Abstandsregeln für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen vorzugeben. Damit könnte der Ökolandbau für Biobauern teurer und riskanter werden.
Die Agrarminister werden wohl Nachbesserungen von der EU-Kommission fordern, die den Ökolandbau entlasten. Gültig wird der EU-Vorschlag erst, wenn das EU-Parlament und eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten zugestimmt haben.
Viele Länder für Einsatz neuer Technologien
Viele EU-Agrarminister sind längst für die breite Zulassung der neuen Techniken, um die Landwirtschaft angesichts zunehmender Dürren und Ertragsverluste durch den Klimawandel zu stärken. In der EU könne es ohne die Züchtung neuer Sorten zu einem drastischen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion kommen.
Schweden, Litauen, die Niederlande, Estland, Italien, Ungarn, Malta, Rumänien und Belgien fordern einen breiten Einsatz der neuen Technologien. 14 EU-Staaten, angeführt von den Niederlanden, hatten schon 2019 Reformen angemahnt.
Zwiespältige Rolle Deutschlands
Deutschland hat hier eine zwiespältige Rolle eingenommen. Einerseits will man in Europa eine Vorreiterrolle in der Forschung einnehmen, anderseits gibt es noch Bedenken gegen den Einsatz der neuen Techniken. Dabei ist die Forschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen schon jetzt erlaubt. Auch Futtermittel und Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Organismen dürfen laut EU-Recht verkauft werden.
Dennoch steht Deutschland weiter latent auf der Bremse, wenn es um ein klares politisches Bekenntnis gehen soll, das die EU-Kommission nach einem jahrelangen Wegducken vieler Länder energischer einfordert als früher.
Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, beide Grüne, bekommen jedoch Druck von Öko-Landwirten. Diese befürchten den Ruin des Ökolandbaus und einen Vertrauensverlust der Kundschaft in ihre Produkte, wenn die Gentechnik massenhaft zum Einsatz kommt und eine Trennung von anderen Erzeugnissen nicht möglich ist.
Viele Befürworter auch in Deutschland
Für die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina dagegen hätte die Zulassung gerade für den Ökolandbau Vorteile: Die neue Technik könnte jede Form des chemischen Pflanzenschutzes überflüssig machen.
Auch der Bundesrat sieht viel Gutes im Entwurf der EU-Kommission. Weder forderte die Länderkammer eine Kennzeichnungspflicht, noch regional begrenzte Opt-Out-Regelungen, die Mitgliedsstaaten ein Verbot ermöglichen würden. Öko-Erzeuger sollen auch nicht haften müssen, wenn ihre Produkte unbeabsichtigte Beimischungen von genmanipulierten Pflanzen enthalten.
Allerdings fordert der Bundesrat den Verzicht auf Patente auf Pflanzen, sowie Abstandsregeln und Mitteilungspflichten für Flächennachbarn, wenn gentechnisch modifizierte Pflanzen angebaut werden. Damit soll die "Koexistenz moderner Züchtungstechniken mit der gentechnikfreien Landwirtschaft" abgesichert werden. Die Stellungnahme der Länder war im Oktober beschlossen worden.
Import erlaubt, Anbau nicht
Der Reformdruck ist enorm. Der schlechte Ruf der Gentechnik in der Landwirtschaft ist zum Teil politisch hausgemacht, was auch die Befürworter der neuen Technik einräumen. Das fängt damit an, dass Importzulassungen für gentechnisch modifizierte Produkte der Landwirtschaft in der EU ganz normal sind, aber der Anbau nicht.
Erst im vergangenen Monat hat die EU-Kommission drei weitere gentechnisch veränderte Pflanzen für den Import genehmigt, ohne dass es zu einem Aufschrei gekommen wäre. 97 solcher Pflanzen dieser Art dürfen inzwischen in die EU eingeführt und für Lebens- und Futtermittel weiter verarbeitet werden.
Um so seltsamer erscheint es, dass die einzige Zulassung für den Anbau einer gentechnisch veränderten Pflanze 25 Jahre alt ist. Anträge auf Neuzulassungen gab es viele, wurden aber von vielen EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich, aber auch Italien abgelehnt oder durch Enthaltungen ausgebremst.
Ausstiegsklausel soll fallen
Eingesetzt werden neue Techniken auch deshalb oft nicht, weil die EU-Länder den Anbau verbieten dürfen. Die meisten EU-Länder haben das getan, auch Deutschland. Diese Ausstiegsklausel darf sich nach Überzeugung der EU-Kommission auf keinen Fall in einer Reform wiederfinden.
Denn es ist ein Widerspruch, der an der Glaubwürdigkeit der EU-Politik rüttelt: Einerseits gibt es Zulassungen und Sicherheitsbewertungen der EU, denen die Bürger trauen sollen, andererseits nationale Verbote. Solche Widersprüche soll es in Zukunft nicht mehr geben - wenn die EU-Agrarminister dafür die Weichen stellen.