Coronavirus in China Keine Rückkehr zur Normalität
Von einer Rückkehr zur Normalität kann in China keine Rede sein. Auch wenn nach den behördlich verordneten Zwangsfeiertagen in vielen Teilen des Landes wieder gearbeitet wird.
Als den "tödlichsten Tag" seit Ausbruch der Coronavirus-Krise bezeichnen Medien den gestrigen Sonntag: Denn nach Angaben der chinesischen Behörden starben an diesem Tag landesweit 97 Menschen am Virus, so viele wie nie binnen eines Tages. In den meisten Landesteilen Chinas enden heute dennoch die Zwangsfeiertage: Betriebe, Büros und Behörden sollen wieder öffnen.
Eine Rückkehr zur Normalität bedeutet das aber noch nicht: In der größten Stadt des Landes in Shanghai etwa bilden sich seit dem Morgen Schlangen an den Eingängen vieler Büro-Hochhäuser. Sicherheitsleute messen Fieber, nur symptomfreie Mitarbeiter werden hereingelassen. "Jetzt muss ich mich hier noch in diese Liste eintragen", sagt eine Angestellte vor einem Bürogebäude durch ihren Mundschutz hindurch. Erst nachdem sie Namen und Telefonnummer eingetragen hat, darf sie zu ihrem Arbeitsplatz. Was das bringe, wisse sie auch nicht.
Fiebermessung in Shanghai: Mitarbeiter werden vor Zutritt zu ihren Firmen auf Symptome, die auf eine Corona-Erkrankung hinweisen könnten, untersucht.
Behörden fordern Informationen an
Auch in den Personalabteilungen chinesischer Unternehmen müssen nun massenhaft Dokumente ausgefüllt werden: Die Behörden wollen genau wissen, wer sich wann wo in den vergangenen Tagen wie lange aufgehalten hat. Mitarbeiter, die innerhalb Chinas oder international gereist sind, sind zunächst einmal verdächtig und werden gesondert befragt oder untersucht.
Selbst nach dem Ende der Zwangsferien dürfte es noch Tage oder sogar Wochen dauern, bis in China wieder einigermaßen risikofrei von A nach B gereist werden kann. Das gilt umso mehr für Reisen in andere Staaten: Die USA, Australien, Singapur, Neuseeland, Indonesien und viele weitere Länder lassen bis auf Weiteres niemanden einreisen, der sich zuletzt in China aufgehalten hat.
Da das auch für ausländische Geschäftsreisende gilt, erwarten Wirtschaftsverbände negative Folgen. Ioana Kraft von der Europäischen Handelskammer in Shanghai sagt dazu: "Langfristig kann das natürlich zum Problem werden. Denn die Einreisebeschränkungen anderer Länder führen dazu, dass die Mobilität von Managern, die in China ansässig sind, eingeschränkt wird."
Überfüllte Krankenhäuser in Wuhan
Der Großteil der Coronavirus-Fälle betrifft weiterhin den zentralchinesischen Landesteil Hubei. Chinas Staatsführung zwingt dort mehr als 50 Millionen Menschen, so wenig wie möglich rauszugehen und nicht zu reisen. Die Krankenhäuser in der Provinzhauptstadt Wuhan und in den umliegenden Gebieten sind nach Berichten von Anwohnern überfüllt, Hilfskräfte seien überfordert, heißt es.
Auch in der Wirtschaftsmetropole Hangzhou - südwestlich von Shanghai - gelten in einigen Stadtteilen inzwischen Ausgangssperren. Die Behörden versuchen mit drastischen Maßnahmen, mögliche mit dem Coronavirus infizierte Bürger aufzuspüren. Nach Berichten staatlicher Medien dürfen die Apotheken der Stadt keine Medikamente mehr verkaufen, die gegen Husten oder Fieber helfen. Die Behörden wollen so alle Menschen mit entsprechenden Symptomen in die Krankenhäuser zwingen. Betroffen sind in Hangzhou rund zehn Millionen Menschen. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Baden-Württemberg.
Passanten versuchen, sich in Shanghai mit Mundschutz und Plastiktüten vor dem Coronavirus zu schützen.
Toter Arzt sorgt weiterhin für Gesprächsstoff
Weiterhin für Gesprächsstoff sorgt bei Menschen in ganz China der Tod des Arztes und Whistleblowers Li Wenliang. Der 34-jährige Mann aus Wuhan hatte bereits Ende Dezember online vor den Gefahren des Virus gewarnt. Doch statt das anzuerkennen wurde er von der Polizei abgeholt, massiv bedroht und gezwungen, zu schweigen.
Vor einigen Tagen ist er selbst an dem neuen Coronavirus gestorben. Viele Chinesen sehen in Li seitdem eine Art Märtyrer. Die Trauer über seinen Tod mischt sich mit Wut, die sich gegen die Staats- und Parteiführung richtet. In den chinesischen Online-Netzwerken wird sie zunehmend als grausam empfundene Unterdrückung der Meinungsfreiheit angeprangert. Die staatliche Zensur kommt mit dem Löschen entsprechender Einträge kaum nach.
Kritik unerwünscht
Chinas Staats- und Parteiführung versucht weiterhin, jegliche Kritik an ihrem Vorgehen in der Virus-Krise durch Positivmeldungen zu übertönen: Die staatlichen Onlinemedien und Fernsehsender zeigen Hochglanzaufnahmen neu gebauter Krankenhäuser und hochmotivierte Ärzteteams. In einem englischsprachigen Clip der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua wird Staats- und Parteichef Xi Jinping als derjenige gepriesen, der an der Spitze des Kampfes gegen das Coronavirus stehe und weitsichtige Entscheidungen treffe.
Zu überfüllten Kliniken, überforderten Ärzte- und Pflegerteams, den willkürlichen Ausgangssperren in vielen Landesteilen und andere Missstände im ganzen Land wird in den staatlichen Medien geschwiegen. Auch die Tatsache, dass Xi sich seit Ausbruch der Coronavirus-Krise nicht ein einziges Mal öffentlich geäußert hat, bleibt unerwähnt.