Coronavirus in China Die infizierte Wirtschaft
Ungeachtet Zehntausender Coronavirus-Infizierter nehmen in China am Montag viele Firmen ihren normalen Betrieb wieder auf. Denn auch der Wirtschaftssektor des Riesenreichs bekommt die Auswirkungen der Epidemie zu spüren.
In den Chefetagen der großen Konzerne in China macht sich Unruhe breit. Die rigiden Schließungen, Sperrungen und Quarantänemaßnahmen beginnen, zum Problem für die Wirtschaft zu werden.
Und auch ausländische Konzerne, die von China beliefert werden, werden langsam ungeduldig: Autobauer wie Volkswagen warten auf wichtige Chargen, aber die Lieferketten sind entweder stark strapaziert oder ganz durchtrennt. Es besteht die Sorge, dass in den kommenden Tagen und Wochen nicht genügend Bauteile und Grundstoffe geliefert werden können.
Ganze Volkswirtschaften außerhalb Chinas fürchten inzwischen Konsequenzen. So schließt Italiens Notenbankchef Ignazio Visco große Belastungen für die Wirtschaftsleistung des Landes nicht aus. Es sei schwer zu beurteilen, und nach derzeitigem Stand dürfte die Auswirkung des Virus zwar nur minimal sein. "Größere Effekte sind aber nicht auszuschließen."
Zweckoptimismus aus Peking
Die Staatsführung übt sich in Zweckoptimismus. So versicherte Präsident Xi Jinping seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump kürzlich telefonisch, dass China die Folgen der Coronavirus-Krise unbeschadet überstehen und sich am langfristigen Aufwärtstrend der Wirtschaft nichts ändern werde.
Und Pan Gongsheng, Vize-Chef der chinesischen Zentralbank, erklärte, zwar glaube man, dass sich die Epidemie im ersten Quartal negativ auswirken könne. "Nachdem das Virus aber unter Kontrolle gebracht sein wird, wird sich die Wirtschaft schnell erholen."
Xi teilte der chinesischen Bevölkerung mit, der Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus sei in einer "entscheidenden Phase". Das ganze Land sei mobilisiert und habe strenge Maßnahmen zur Vorbeugung ergriffen. "Wir sind vollauf zuversichtlich und in der Lage, die Epidemie zu besiegen."
Maßnahmen werden gelockert
Doch wie groß sind die Sorgen vor längerfristigen wirtschaftlichen Folgen wirklich? Fakt ist: Von kommender Woche an werden erste Schutzvorkehrungen behutsam gelockert. Schulen und Universitäten bleiben zwar vorerst geschlossen, doch in Unternehmen soll wieder gearbeitet werden. Unter anderem das Werk des E-Auto-Konzerns Tesla in Shanghai soll nach Behördenangaben am Montag seine Produktion wieder hochfahren.
Wichtige Bauprojekte sollen wieder aufgenommen werden, vor allem im Bereich des Wasserwege- und Straßenbaus. Außer in Wuhan und anderen Gebieten, in denen sich das Coronavirus besonders stark verbreitet hat, sollen sämtliche Arbeiten an der Infrastruktur spätestens bis zum 20. Februar wieder aufgenommen werden, erklärte das chinesische Verkehrsministerium.
Der Elektronikkonzern Foxconn hingegen darf Medienberichten zufolge noch nicht wieder zur Normalität zurückkehren. Eine Inspektion der Anlage im südchinesischen Shenzhen habe ergeben, dass die Infektionsgefahr noch immer zu groß sei.
Zahl der Betroffenen steigt und steigt
Und tatsächlich machen die jüngsten Zahlen wenig Mut, dass die Epidemie in China unter Kontrolle zu bekommen ist. Binnen 24 Stunden sind laut staatlicher Gesundheitskommission 86 Menschen am Coronavirus gestorben. Mit Ausnahme von fünf Fällen stammten alle aus der zentralchinesischen Provinz Hubei, dem vermuteten Ursprung des Virus.
Damit ist die offizielle Gesamtzahl der Todesopfer in Festlandchina und Hongkong durch das Coronavirus auf mindestens 722 Menschen gestiegen. Seit Freitag wurden außerdem 3399 weitere Ansteckungsfälle verzeichnet - inzwischen sind in China mehr als 34.500 Menschen infiziert.
Bestätigt wurden die ersten ausländischen Opfer in China. Es handelt sich um einen 60-jährigen US-Bürger sowie um einen Japaner. Beide starben in Wuhan an den Folgen der Erkrankung.
Aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation WHO ist der weitere Verlauf der Epidemie schwer vorauszusagen. Abgesehen von den besonders betroffenen Gebieten scheine die Lage in China momentan relativ stabil zu sein, sagte ein WHO-Experte. Ein chinesischer Gesundheitsexperte hatte den voraussichtlichen Höhepunkt der Epidemie auf Mitte kommender Woche datiert.
Mit Informationen von Steffen Wurzel, ARD-Studio Shanghai